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Regener Pappik Busch | Freitag 19/09 2025 20.00 h Bielefeld, ROH Foyer
| vvk: 45,35 € |
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Sven Regener? Das ist doch der Sänger von Element Of Crime! Und Richard Pappik?
Klar, der trommelt bei Element Of Crime. Hat nicht auch Ekki Busch immer mal wieder
bei der Band Akkordeon gespielt? Richtig. Gemeinsam haben die drei Vollblutmusiker jetzt
ein Jazz-Album aufgenommen. Kann das gut gehen? Absolut, denn Regener Pappik
Busch ist nicht etwa ein Nebenprojekt von Element Of Crime, sondern mit exakt einem
Bläser die kleinste Brass Band Deutschlands.
Lange bevor Sven Regener zu einem der originellsten Songtexter und Sänger des
deutschen Sprachraums wurde, spielte er bereits Trompete. Bei Element Of Crime ließ
er immer wieder kleine Kostproben davon aufblitzen, aber diese Einlagen verraten nicht
ansatzweise die Intensität, mit der er auf seinem Horn stetig neue Herausforderungen
sucht. Im Gegenzug war es nur eine Frage der Zeit, bis die Trompete einen prominenteren
Platz im Output des Sängers einforderte. Das Ergebnis dieses Pakts ist nun „Ask Me Now“.
Auslöser für die Rückbesinnung auf diese alte Liebe zwischen Sven Regener und seiner
Trompete war im November 2011 die Beerdigung seines Trompetenlehrers Eckfrid von
Knobelsdorff in Bremen, auf der er seinem Mentor mit vielen Jazzmusikern ein Ständchen
spielte. Das fühlte sich gut an, aber Regener merkte auch, dass er mit seinem Instrument
noch nicht dort war, wo er sein wollte. Also übte er. „Ich wollte mal wieder was auf der Trompete machen“, erinnert er sich, „denn im Rock ist sie ja eher ein Stiefkind. Ich kann
sie zwar ab und an bei Element Of Crime rausholen, aber im Verhältnis zu dem, was ich
dort mit Gitarre und Texten mache, ist das fast nichts. Irgendwann sagte ich mir, es
kann nicht sein, dass ich seit 45 Jahren Trompete spiele und bestenfalls mal hier oder
da 20 Sekunden unterbringe.“
So nahmen die Dinge ihren Lauf. Statt sich die Tage mit Skalen und Intervallen um die
Ohren zu schlagen, nahm er sich eine Reihe von Jazzstandards vor. Und – so einfach
ist das manchmal im Leben – das machte ihm Spaß. Mit Ekki Busch, der ganz nebenbei
auch ein ausgezeichneter Jazz-Pianist ist, begann er diese Stücke im Duo zu spielen.
Doch irgendwie fehlte da noch was. Um dem ganzen Unternehmen mehr rhythmischen
Biss zu geben, musste ein Schlagzeuger her. Was lag da näher, als Richard Pappik zu
fragen, mit dem beide Musiker ja ohnehin aufs Engste verbunden sind und der unter
anderem als Krautrockmaschine bei Element of Crime einer der interessantesten und
profiliertesten Schlagzeuger Deutschlands ist. Gemeinsam fanden die drei eine Ästhetik,
bei der es überhaupt nicht um Soli, sondern ausschließlich um die Songs ging. Der
Umstand, dass sie in Sachen Jazz in keiner Weise vorbelastet sind, spielte ihnen dabei
freilich in die Karten. „Die Dreistigkeit des Ganzen ist vergleichbar mit Jazzmusikern,
die plötzlich Pop spielen“, freut sich Regener immer noch. „Wir hatten gar nicht die
Möglichkeit, uns ein Referenzsystem aufzubauen, weil wir das aus unserer Geschichte
heraus überhaupt nicht haben, sondern griffen diese Stücke mit unseren eigenen
Mitteln auf. Diese Kompositionen machen das einfach möglich.“ Sicher hätte Regener neue Stücke für diese Platte schreiben können, und ja, auch Texte
wären denkbar gewesen. Aber man entschied sich bewusst für zwölf Jazzstandards.
Denn Regener ist ein passionierter Geschichtenerzähler, und in diesen Songs stecken
eben wunderbare Geschichten. Eine gute Melodie selbst sei bereits eine Story, findet
Regener, und die Tatsache, dass diese Lieder seit so vielen Jahren immer wieder neu
gespielt werden, sei doch Beweis genug für ihre narrative Kraft.
Drei Songs von John Coltrane, zwei von Thelonious Monk, dazu unter anderem Stücke
von Dizzy Gillespie, Billie Holiday oder Charlie Parker – Regener, Pappik und Busch
brauchen keinen Grund, um diese Klassiker zu spielen. Diese musikantische Lust am
schnörkellosen Fabulieren, dieses unbedingte Einlassen auf jeden Song, wie auch das
gemeinsame Vorpreschen ohne Erklärungen, Beipackzettel oder jeglichen Überbau ist
Erklärung genug. Sie hauen diese Nummern raus wie Gassenhauer, die sowieso gerade
in der Luft liegen, und nehmen den Hörer mit, sei er nun Jazzfan oder nicht.
Zu Regeners Vorbildern auf der Trompete gehört der Amerikaner Lester Bowie, der sich
mit dem Art Ensemble of Chicago und der Brass Fantasy unsterblich machte. Nicht, weil
Regener sich anmaßen würde, Bowies Timbre zu kopieren, sondern weil dieser einerseits
unfassbar laut und dreckig spielen konnte und zum anderen den Jazz dahin zurückführte,
wo er einst herkam. Viele Jazzstandards waren ursprünglich Schlager oder Broadway Melodien, die jeder kannte. Genau diese Unbekümmertheit, mit der Bowie diese Musik
aus den Jazzclubs zurück in Parks und auf die belebten Plätze der Stadt holte, wohnt
auch dem Geist von „Ask Me Now“ inne.
Regener liebt das Trio-Format, weil jeder der Beteiligten zu jedem Zeitpunkt voll da sein
und entsprechend gehört werden muss. In Buschs Tastenspiel steckt viel Stride-Piano
und Pappik zirkelt den Groove mit Besen und Hot Rods, dass es eine reine Freude ist. Ja,
das sind Klassiker aus den vierziger bis sechziger Jahren, und die Inspiration vieler dieser
Nummern geht auf die Roaring Twenties oder noch frühere Zeiten zurück. Indem das
Trio genau diesem Spirit unvoreingenommen Rechnung trägt, kommen sie aber unmittelbar in der Gegenwart an. Denn die Songs werden gespielt als die, die sie heute sind.
Verblüffend ist dabei die Ähnlichkeit zwischen Regeners Trompetensound und seiner
Stimme. Mit dem für ihn typischen Hang zu Allegorien aus dem Alltag vergleicht er es
mit einem Hundebesitzer und seinem Vierbeiner, die sich im Lauf der Zeit immer ähnlicher
werden. „Das Tolle an der Trompete ist ja ihre Nähe zur menschlichen Stimme. Ich habe
die Trompete immer als meine schönere Stimme empfunden. Die tiefe Liebe zu ihr hat
mich nie verlassen, obwohl das Instrument es mir nicht immer leicht gemacht hat. Aber
seit 35 Jahren habe ich die Trompete immer nur im Zusammenhang mit Songs eingesetzt.
So spielt und improvisiert man am Ende eben doch eher wie ein Sänger und nicht wie
ein Instrumentalist im engeren Sinne.“
Auch in Regeners Texten steckte schon immer viel Jazz, ähnlich wie bei Allen Ginsberg,
der sich für seine Poesie von Charlie Parker oder Bob Dylan, der sich von John Coltrane
inspirieren ließ. Regeners Wort- und Gedankenketten ähneln ebenso den Improvisationen
eines Jazz-Solisten wie sein Instinkt, sich gedanklich von einem thematischen Kern zu
entfernen, ihn zu paraphrasierieren, um letztlich umso pointierter zu ihm zurückzufinden.
Ohne ein einziges Wort hören wir Regener auf dem Horn singen.
In diesem Sinne ist „Ask Me Now“ definitiv keine Abkehr von bereits Vertrautem, sondern
die folgerichtige Konsequenz aus allem, was bisher passiert ist. Ein Jazzalbum ohne
Firlefanz, ein lustvoller Sprung in die Vergangenheit ohne jeden Anflug von Nostalgie,
ein Mordsspaß und nicht zuletzt einmal mehr eine verdammt gute Geschichte.
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