|
Beatsteaks + Die Verlierer | Mittwoch 13/11 2024 20.00 h Bielefeld, Lokschuppen
| vvk: 54,50 € abk: 55,00 € |
TICKETS |
Liebe Leute,
Leider können wir die nächsten beiden Konzerte in Bremen und in Bielefeld nicht spielen da Bernd krank geworden ist. Die Konzerte werden auf jeden Fall nachgeholt, die Tickets behalten ihre Gültigkeit und wir hoffen schon Anfang nächster Woche Ersatztermine dafür bekanntgeben zu können. Wir bitten um Verständnis und Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, die euch dadurch entstehen. Tut uns dolle leid, enttäuschte Grüsse, eure Beatsteaks Die BEATSTEAKS sind Arnim, Bernd, Peter, Thomas und Torsten und zählen zu den erfolgreichsten Rockbands Deutschlands. In über 25 Jahren gemeinsamer Bandgeschichte veröffentlichten sie elf Tonträger mit Hymnen wie „I Don’t Care As Long As You Sing“, „Hand In Hand“, „Hello Joe“ und „Cut Off The Top”, die wie dafür gemacht sind, in Richtung einer Bühne geschrien zu werden. Ein Platin- und drei Goldalben später beweisen die BEATSTEAKS auf ihren unzähligen Konzerten und Festivalauftritten innerhalb und außerhalb Deutschlands eindrücklich, dass sie zu den energetischsten Livebands unseres Jahrtausends gehören, die selbst einen Fusion-Rave in eine Rockmanege verwandelt. In der Geschichte des Gitarrenrock gibt es wenige Bands, die bis zum neunten
Studioalbum durchgehalten haben — und mehrheitlich enttäuschende neunte
Studioalben. Wer sich achtmal ausgewrungen, abgequält und leer geschrieben hat,
ist höchstgefährdet, ein für allemal den Hunger zu verlieren und im Greatest-HitsTeufelskreis zu erlahmen. Die Beatsteaks haben proaktiv gegen die eigene Sattheit
aufbegehrt und so lange im kreativen Hungerstreik ausgeharrt, bis das Feuer alter
Tage wieder zu lodern begann. Um es endgültig neu zu entfachen, musste die Band
hart an sich arbeiten, alte Muster überwinden, sich auf das Wesentliche besinnen,
Ordnung schaffen und neues Chaos zulassen. Am Ende jenes Prozesses steht
»PLEASE« — ein neuntes Studioalbum, das mit der Eindringlichkeit, dem Spielwitz
und der Unrast einer explosiven Debüt-LP auftrumpft. »Was uns innerhalb der Band verbindet, ist ja unter anderem, dass wir alle nicht lange ruhig
halten können«, schmunzelt Sänger und Gitarrist Arnim Teutoburg-Weiß. Das neue Album
sei »so zappelig, wie jedes einzelne Mitglied der Beatsteaks es auch ist« — und »immer ein
bisschen zu dolle«. Genau dieser Aspekt macht »PLEASE« so juvenil, so leichtfüßig, so
pulsierend, so fordernd: Dieses Album ist auf hundertachtzig, kippelt, hämmert und klirrt,
hält unablässig eine elektrisierende Spannung. Irgendwie ist das auch kein Wunder, entlädt
sich in »PLEASE« doch eine Vulkanladung an künstlerischem Ehrgeiz, der sich seit knapp
sieben Jahren — ganz richtig, so lang liegt das letzte Beatsteaks-Studioalbum »Yours«
inzwischen zurück — angestaut hat. Seit Herbst 2017 hat sich vieles, ja, eigentlich alles
verändert: In der Welt, in der Musiklandschaft, auch in den Lebensrealitäten aller fünf
Beatsteaks-Mitglieder. Es sind Kinder gekommen und Eltern gegangen, es gab ein paar
individuelle und ein paar kollektive Krisen zu meistern, auf dem Weg ist das eine oder
andere Haar ergraut — »dit janz normale Leben halt«, wie Arnim resümiert. »Und dann war
da noch eine Pandemie«, fügt Schlagzeuger Thomas Götz an. In dieser Zeit wurde geredet, vermutlich so viel wie noch nie, in der Geschichte der
Beatsteaks — über sich einschleichende Hierarchien, unliebsame Marotten und schnöde
Gewohnheiten, Ansprüche, Werte und die gemeinsame Zukunft. »Im Laufe dieses Dialogs
ist uns klar geworden, wie groß der Kosmos ist, den wir uns mit der Band selbst geschenkt
haben … Und wie klein die Luxusprobleme sind, die uns hin und wieder darin beschäftigen«,
führt Arnim aus. Die noch viel wesentlichere Erkenntnis: »Unsere Aufgabe ist es, den Leuten
etwas Schönes zu bringen, sie mit unserer Existenz, unserer Musik glücklich zu machen …
Die Welt ist schließlich beschissen genug«. Diese Maxime, sinnbildlich manifestiert in der
2022 erschienenen Single »Kommando Sunshine«, ist als Fundament der neuen Platte
»PLEASE« zu begreifen. Etwas Schönes muss sich schon im Kern schön anfühlen und in einer, so formuliert es
Thomas Götz, »stress- und argwohnfreien Zone« reifen. Der größtmöglichen Leichtigkeit
zuliebe haben die Beatsteaks ihren Laden aufgeräumt — und neuen Wind reingelassen.
Anders als alle Alben seit der Platin-Scheibe »Smack Smash« aus 2004 wurde »PLEASE«
nicht vom bis heute engen Freund der Band Moses Schneider produziert. Stattdessen ging
ab Frühjahr 2023 ein gewisser Olaf Opal (Der mit seinen Arbeiten zwischen verspultem
Underground und straighten Multiplatin-Erfolgen als einer der versiertesten
zeitgenössischenProduzenten gilt) im Berliner Beatsteaks-Headquarter ein und aus. Zu
diesem Zeitpunkt hatte die Band ihren ersten Post-Corona-Sommer hinter sich und
zwischen Nürburgring und Waldbühne neue Kräfte gesammelt. Auf einmal häuften sich
Demos, Melodien, Riffs und Textfragmente — und damit auch die Aufgaben für Olaf Opal,
der direkt eifrig zu sortieren begann. »Bei der Fülle an kreativen Impulsen, die durch unseren
Proberaum geschwirrt sind, brauchte es ganz dringend eine Person, die uns aktiv
Verantwortung entzieht … Eine Person wie Olaf, der es völlig egal ist, welches Bandmitglied
gerade für welche Idee kämpft«, sagt Arnim. Im Sommer letzten Jahres ging es dann Schlag auf Schlag: Am 28. Juni verließen die
Beatsteaks begleitet von »Non, je ne regrette rien«-Gesängen ihrer verschwitzt-beseelte
Crowd die Bühne des Fusion Festivals. Das Equipment wurde ab- und keine zwölf Stunden
später direkt wieder aufgebaut: Im Publikumsbereich des Berliner Columbia Theaters.
Genau hier verwandelten sich anschließend knappe fünfundzwanzig Skizzen in elf
vollwertige Albumsongs. Thomas Götz nennt Olaf Opal nicht grundlos den »Master of
Räume«: Die Idee, »PLEASE« nicht im Studio oder gar im Proberaum, sondern im
Epizentrum eines riesigen, altehrwürdigen Saals zu recorden, kam vom neuen
Produzenten. Heute lässt sich festhalten, dass das ‚Experiment Theatersound‘ einem
Geniestreich glich: Über der gesamten Platte hängt ein raumfüllender, organischdreidimensionaler Hallschleier. Gleichzeitig ist jedem einzelnen Song anzuhören — auch
das hat gewiss mit den veränderten Bedingungen zu tun — dass die Band aufgeregt ist.
Und das ist, logisch, immer ein gutes Zeichen. Am Anfang der Tracklist steht das energieschürend-hämmernde »Goodbye« — ein
verheißungsvolles Startsignal, das sich anschleicht und aufheult. Mit »Detractors« glückt
der Übergang von »get ready!« zu »what are you waiting for?« … Dieser Song liefert die
geballte Ladung Beatsteaks, schwankt freudestrahlend zwischen Ohrwurm-Hymne und
Turn-Up-Versprechen. »Dead Man« und »Katharina« lassen — auch das ist unverzichtbarer
Bestandteil der Beatsteaks-DNA — bewusst viel Raum für artistische GitarrenVerrenkungen. Dann? Der abgedrehte Kopfnicker »Traumschiff«, ein lauter, fordernder
Appell: »Don’t give up now!«. Die unbeschwert-blumige Album-Mitte — bestehend aus den
Stücken »Against All Logic« und »Love Like That« — schmiegt sich ans Ohr ihrer
Hörer*innen an. Danach beginnt eine eigenwillig-nervöse Neuinterpretation des Fun Boy
Three-Songs »The Lunatics« zu klimpern: Groovy, düster, irgendwie cineastisch. Mit »Why
& Because« folgt die nächste überschäumende Eruption … Und die Antwort auf die Frage,
warum »PLEASE« heißt, wie es heißt. »PLEASE«, das schönste und wichtigste Satz-Anhängsel der Welt, taucht nicht nur in
beinahe jedem Songtext der Platte auf; es definiert auch ein Gefühl, eine Attitüde, einen
Blick aufs große Ganze, eine Stimmungslage. Wer ein »Bitte« entsendet, meint es ganz
unabhängig von biederen Benimmregeln ernst, mit seinem Anliegen. »Bitte«, das ist die
nachdrücklichste Aufforderung, die es gibt — aber auch die friedvollste. Auf dem
Albumcover der neuen Beatsteaks-LP ist nichts weiter als ein Stoppschild zu sehen,
bedruckt mit dem Wort »PLEASE«. Mehr gibt es nicht zu sagen, das bündelt den Status
Quo in sechs Buchstaben. »PLEASE« ist hier als ein Ausdruck von Sehnsucht zu verstehen
— nach dem Erlebnis Beatsteaks und dem damit verbundenen »Magic Feel«, nach der
bestmöglichen Version dieser Band. »PLEASE«, das ist die vehemente Bitte zum Tanz,
transportiert mit derselben Bestimmtheit, die der Sound der Platte ausstrahlt. »Tonight«, der
von verspielten Piano-Schlägen getragene letzte Song des Albums, konkretisiert diese
Aufforderung: »Will you eat me alive on a glorious night?« »Die Platte ist in allem, was wir da machen, janz dolle wir«, findet Arnim. Tatsächlich bringt
»PLEASE« sämtliche Eigenarten, die die Beatsteaks auszeichnen, maximal treffsicher auf
den Punkt. Diese Fusion aus sphärisch schattierten Gitarrenwänden und Arnims
Powergesang, der mehr sechstes Instrument als Gesangsstimme ist; dieser absolut
undeutsche Sound samt englischsprachiger, im Kollektiv getexteter Vocals; diese
dauerhafte Infragestellung konventioneller Rockband-Schemata, diese ignorante GenreMixtur, dieses »hier wird nichts gemacht, weil man das einfach so macht«, dieses nahbare
Aufbranden gemeinschaftlicher Glücksgefühle — all das ist typisch Beatsteaks. »PLEASE«
ist das Beweisstück für eine bestens funktionierende und seit bald dreißig Jahren
bestehende Fünfecksbeziehung. Peter, Bernd, Torsten, Arnim und Thomas sind noch nicht
satt, haben, anders als die meisten Bands in der Geschichte des Gitarrenrock,
durchgehalten — und möglicherweise das beste neunte Album aller Zeiten
zusammengeschmiedet. Auf der Bühne spielt das Quintett Champions League, das war immer so: Nicht nur deshalb
bringen sie „PLEASE“ direkt am Veröffentlichungswochenende bei zwei großen Konzerten
in der Berliner Wuhlheide vor über 30.000 Menschen und im Anschluss mit einer großen
Tour auf die Bretter, die nicht nur ihnen die Welt bedeuten, sondern ihrer Musik erst den
richtige Raum geben, sich zu offenbaren und in einem musikalischen Happening Gestalt
anzunehmen, mit dem die Beatsteaks den Rahmen eines klassischen Rockkonzertes schon
lange gesprengt und sich auf einen neuen Weg gemacht haben.
Mit „Notausgang“ liefern uns Die Verlierer eine brillante und schneidende musikalische Flucht nach vorne. Dieses zweite Album, das auf Mangel Records erschienen ist, ist weit davon entfernt, der verflixte Stolperstein zu sein, sondern präsentiert sich als das beste Geschenk des Jahres, obwohl alles doch so beschissen ist.
Es war alles andere als ein Selbstläufer. Schon Notausgang, als Albumname, klingt nicht sehr originell für eine Punkband. Und der Typ, der auf dem Cover herumrennt, das kommt einem schon bekannt vor, oder? Aber der Teufel steckt im Detail und es gibt viele. Die fünf Berliner haben uns ein musikalisches Kaleidoskop zusammengestellt und in vierzehn Kapiteln die Varianten einer Konfrontation mit sich selbst und eine Bestandsaufnahme des heutigen Lebens in Berlin dekliniert.
Insofern verkörpert Notausgang schon perfekt den jetzigen Geisteszustand von vielen. Die Stadt mit ihrem komplexen Erbe und ihren zeitgenössischen Widersprüchen ist die ideale Kulisse für die Erzählungen von Die Verlierer.
Ihre Realität ist brutal ehrlich. Berlin ist die kalte, graue Großstadt, die sie tagsüber niederdrückt, die Sirene, die sie nachts ruft und sie in ihre Abgründe zieht, und auch das Opfer der häuslichen Gewalt, wobei die Täter Gentrifizierung und Radikalisierung sind. Alle Songs drehen sich um diese Themen: Ohnmacht, Suche, Einsamkeit, Exzess, Gentrifizierung, der schleichende Rechtsruck der Gesellschaft – und deren Konsequenzen auf der Seele. Es beginnt mit Vollgas mit dem Titel „Das Gift“, über das Bedürfnis, sich selbst zu spüren. Dann kommt „Notausgang“, der gleichnamige Song des Albums, über das Virus der extremen Rechten und das Gefühl der Entfremdung im eigenen Land.
Aber schafft es die Band, nicht in Schwermut zu versinken? Oder sollte diese Entfremdung den Jungs, die mit dem ersten Album spontan genial, roh und wild, aber nicht falsch destroyed oder funpunk waren, besiegt haben? In manchen intimeren Tracks geht es so weit, dass der Riss bis ins Innere durchdringt, dass der Beton in dem Kopf kommt, dass der Stacheldraht das geliebte Gesicht entstellt. Oder in „Albtraum“: Ich bin im Albtraum aufgewacht/ Hab die Nadel längst gefunden/pflüge weiter durch das Heu. Die Suche nach dem Notausgang macht dann Sinn, sonst strandet man auf der „Müllhalde der Gefühle“, oder am Ende im „Attentat“, zwei weitere Tracks.
OK also Flucht, aber wohin? Nun, die Wette ist gelungen. Sie sind zwar textlich ernster, aber musikalisch sich treu geblieben. Und dank der Produktion, die diesen krachigem Sound ohne in Nostalgie zu verfallen findet, jedem sein Platz gibt, hat das Album sein Signature-Sound wiedergefunden. Musikalisch gesehen ist Die Verlierer die Alchemie von Rohheit und Melodie, von Post-Punk und NDW, von Zeitlosigkeit und heutiger Energie voll gelungen.
Eine der Stärken der Band liegt in der Vielfalt ihrer Stimmen. Alle teilen sich das Mikrophon, wobei jeder seine eigene Nuance und Intensität einbringt. Das bewirkt, dass man bei jedem Hören eine neue Entdeckung macht, denn jeder Song wird zu einem kollektiven Abenteuer, in dem jeder seine Sicht der Welt mit entwaffnender Ehrlichkeit ausdrückt.
Die Macht dieses Albums liegt in seiner Fähigkeit, die aufkommende Depression zu transzendieren und den Zuhörer ganz und gar mitzunehmen. Anstatt dass Du Dir eine Kugel verpassen willst, wird "Notausgang" Dich dazu bringen, es auf Repeat zu hören, und selbst wenn du nichts verstehst, weil du kein Deutsch sprichst, wird die Musik Dich mitreißen. Die Verlierer beweisen, dass sie nicht triste Beobachter des Untergangs sind, sondern Begleiter eines emotionalen Notausgangs. Ein Sprung ins kalte frische Wasser, was Dich wach machen wird.
(Virginie Varlet)
|