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Bukahara + CARI CARI | Samstag 25/11 2023 20.00 h Münster, MCC Halle Münsterland
| vvk: Ausverkauft! |
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Mit „Tales of the Tides“ legt die Global-Folkband Bukahara ihre bislang homogenste
Musik vor. Das neue, am 24.02.2023 erscheinende Album der größten unbekannten
Band Deutschlands basiert auf sehnsuchtsvoller Rootsmusik und ist geprägt von einem
postmigrantischen, grenzüberschreitenden und freiheitlichen Selbstverständnis. Damit
gehen Bukahara jetzt in die größten Hallen. Wie Sprache missbraucht werden kann, lässt sich an der etymologischen Geschichte des
zunächst harmlos erscheinenden Wortes „Flut“ ablesen: Eigentlich beschreibt der Begriff ja
nichts anderes als das Ansteigen von Wasser, hier vor allem: des Meereswasserstandes im
Rahmen der Gezeiten. Ein harmonischer, überaus natürlicher Vorgang im Zusammenspiel
von Mond, Sonne und der Rotation der Erde, den wir spätestens in der Grundschule erklärt
bekommen.
Bereits seit der Antike wurden indes auch dystopische Umwälzungsnarrative immer wieder
von metaphorischen oder tatsächlichen Fluten begleitet, in den Mythen vieler Weltkulturen
wimmelt es nur so von unheilbringenden Überschwemmungen aka Sintfluten, meist als
göttliche Strafe für menschliches Fehlverhalten. Und klar: Auch aktuell leben wir in einer
Zeit, in der das Wort Flut ein zunehmend negativ konnotiertes Reframing erfährt – und
damit sind wir bei Bukahara und ihrem fantastischen Album „Tales of The Tides“. „But then I hear the seas are calling: we’re still here to remind/That all your ends and
beginnings lie deep in the tales of the tides“, singt Soufian Zoghlami im Titelstück dieses
neuen Albums seiner Band Bukahara, einer wehmütig-elegischen Ballade von
majestätischer Anmutung, deren Dynamik auch musikalisch an das Wechselspiel von Ebbe
und Flut erinnert. „Tales of The Tides“ ist ein ungemein wirkmächtiges Album, auf dem
Bukahara Sintflutmythen aller Zeiten mit der Gegenwart verknüpfen, eine Art popkultureller
Flutzyklus, wenn man so will.
Bukahara wissen: Überflutung ist heute der Kampfbegriff einer Reizgesellschaft im
permanenten Ausnahmezustand. Ob die ganz reale Bedrohung durch den Klimawandel
gemeint ist oder jene von rechten Populisten und konservativen Kräften herbeifantasierte
durch angebliche „Flüchtlingsfluten“: Ständig scheinen metaphorische oder tatsächliche
Fluten zu drohen. So entsteht ein Klima, in dem im Angesicht drohender Überflutung der
Rückzug in Protektionismus, Abschottung und Nationalismus geboten zu sein scheint.
Bukahara tun in dieser vermieften Situation das einzig richtige: Sie machen das Fenster
weit auf und lassen frische Luft hinein. Mit staunenden Augen, offenen Mündern, mit
Wagemut, Offenheit, Neugierde und Experimentiergeist. Ganz wichtig allerdings:
Bukahara machen auf diesem Album Musik, die sich zwar wie ein kühlendes Tuch auf
unsere krisengeplagten Seelen legt, die aber ihre Dringlichkeit vor allem aus der Tatsache
bezieht, dass sie eben keine Eskapismus-Folklore bedient.
Vielmehr bezieht dieses bislang homogenste, auf wehmütig wunderschöne Weise von Folk
durchdrungene Bukahara-Album seine enorme Dringlichkeit aus der Prägnanz, mit der
hier Musik und Themen korrespondieren. Kein Ton und kein Wort sind auf „Tales of The
Tides“ zufällig an ihrer Stelle, auf derart konzentrierte Weise beinahe minimalistisch ist
diese Band bislang noch nicht zu Werke gegangen. Die Präzision und das Gespür, mit
denen Bukahara hier unendliche Räume für die Themen und Stimmungen dieser Lieder
eröffnen, begründen deren Wahrhaftigkeit.
Die Botschaft heißt Hoffnung, allerdings nicht bedingungslos. „Angst ist das zentrale
Gefühl unserer Zeit“, sagt Soufian Zoghlami. „Bei mir ist zum Beispiel die Angst vor einer
Rückkehr des Faschismus ziemlich ausgeprägt. Angst ist aber kein guter Ratgeber, wir sind
diesen Entwicklungen nicht ausgeliefert. Pandemie, Finanzcrash, Klimakatastrophe oder
das Wiedererstarken des Autoritarismus sind nicht schicksalsgegeben, nicht von Gott oder
höheren Mächten instruiert, sondern das sind alles wir selbst. Wir sind für diese
Entwicklungen verantwortlich, also können wir auch etwas dagegen tun. Insofern ist ‚Tales
of The Tides‘ eine fiktive Erinnerung von jemandem, der die Sintflut überlebt hat und jetzt
sagt: Wir können uns wehren und aktiv gestalten.“
Die Dinge in die eigenen Hände nehmen, das Fenster aufmachen, frische Luft reinlassen:
So war das schon immer bei Bukahara. Zum Beispiel damals, als Ahmed Eid (Bass,
Percussion), Max von Einem (Posaune), Daniel Avi Schneider (Geige, Mandoline) und
Zoghlami (Gesang, Gitarre, Schlagzeug) sich während des Jazz-Studiums an der Kölner
Musikhochschule kennengelernt haben. Insgesamt gerade mal ein Jahr studierten die Musiker gleichzeitig in Köln, zwölf Monate
indes, die ausreichten, eine bis zum heutigen Tage bestehende Freundschaft zu begründen
– und natürlich das Produkt dieser Freundschaft, die eher aus einem Zufall heraus
gegründete Band Bukahara. Die Freunde merkten damals: Die akademisch geprägte Welt
des Jazzstudiengangs war ihnen zu elfenbeinturmartig, ihr Verständnis von Musik wurde
dort nicht befördert. Die frisch gegründeten Bukahara wollten raus aus dieser Blase, das
sprichwörtliche Fenster aufreißen – und ab auf die Straße.
Also nahmen Bukahara ihr Schicksal in die Hand und machten Straßenmusik. „Das war
unsere wichtigste Schule, die Straße ist bis heute die Basis für alles, was wir tun“, sagt
Zoghlami. „Du stellst dich irgendwo hin und spielst. Niemand kommt wegen dir, die Leute
haben ganz andere Sorgen und Pläne. Auf der Straße muss die Interaktion zwischen den
Musikern genau funktionieren, es gibt keinen Raum für Eitelkeiten.“
Dieses Verständnis prägt die Band bis heute. Mit 60 bis 100 Konzerten im Jahr und bislang
vier Studioalben haben Bukahara sich Stück für Stück und aus eigener Kraft eine immer
größere Gefolgschaft aufgebaut, scheinen aber in der Wahrnehmung der breiten Masse
immer noch ein bisschen unter dem Radar zu segeln, obwohl sie auf ihrer bislang größten
Tour 2023 in großen Hallen wie der Westfalenhalle Dortmund, dem Haus Auensee in
Leipzig oder dem Zenith in München auftreten werden. Man könnte auch sagen: In der Musikbranche sind Bukahara die größte unbekannte Band
Deutschlands. Gemessen an der Größe ihrer Konzerte, der Zahl ihrer Fans sind sie medial
erstaunlich weit unter dem Radar geblieben. Vielleicht, weil man sie nicht sofort einsortieren
kann, weil sie Musik als ein großes, weites Feld begreifen, eine Art Abenteuerspielplatz und
eben nicht so ohne Weiteres in irgendwelche Industrie- oder Genreschubladen
einzuordnen sind. Bukahara scheinen nicht in aktuelle Trendmuster zu passen, aber sie
haben ein riesiges Publikum und eine Menge zu sagen. Es lohnt sich, ihnen zuzuhören,
und wer das nicht längst tut, für den lässt sich kaum ein besserer Anlass finden als „Tales
of The Tides“.
Der besondere Sound dieser Band ergibt sich auch auf diesem Album aus dem
Zusammenspiel dieser vier Musiker und ihrer unterschiedlichen Prägung. Der von Kindheit
an mit Diskriminierungserfahrungen aufgewachsene Zoghlami – er hat einen tunesischen
Vater – ist zwar studierter Schlagzeuger, hat sich aber zu einem überaus profilierten Singer-Songwriter entwickelt, der das Schlagzeug bei den Konzerten einfach zusätzlich zu Gitarre
und Gesang bedient. Ahmed Eid indes wurde in Syrien geboren, ist in Palästina
aufgewachsen und in arabischer Percussion ebenso bewandert wie auf dem Kontrabass.
„Das Besondere an der Band war für mich von Anfang an, dass Ahmed und ich zu zweit
angefangen haben und ich bewusst ziemlich perkussiv auf der Gitarre gespielt habe, weil
wir eben kein Schlagzeug hatten“, sagt Zoghlami. „Dabei ist es im Wesentlichen immer
geblieben, woraus sich ein besonderer Sound ergibt.“
Kongenial ergänzt wird dieser Sound durch Daniel Avi Schneider, einen Geiger mit jüdischschweizerischen Wurzeln, und den Münsteraner Jazz-Posaunisten Max von Einem. Die
Frage, was ein Bukahara-Song ist und was nicht, wo also die sogenannten Grenzen liegen,
wird nicht allzu strikt beantwortet, es geht bei dieser Band schließlich um die Überwindung
von künstlich gezogenen Grenzen. Der Sound ergibt sich aus der Besetzung und der Art,
wie sie zusammenspielen, aus einem postmigrantischen, grenzüberschreitenden und
freiheitlichen Selbstverständnis. So hat die Band über die Jahre eine einzigartige Signatur
entwickelt.
Selten wurde dieser Ansatz so offensichtlich wie auf „Tales of The Tides“: Bereits mit dem
letzten Album, „Canaries In a Coal Mine“, hatten Bukahara 2020 politische und
antirassistische Töne gesetzt, nun hat Soufian Zoghlami Sachbücher und Romane zu den
Themen studiert, die ihm vorschwebten und ist das Songwriting für „Tales of The Tides“
also von Anfang an konzeptuell angegangen. „Zunächst habe ich auf diese Weise versucht,
für mich persönlich einen Rahmen zu legen: Was will ich diesmal sagen, was ist mir
wichtig“, sagt er.
Immer wieder stieß er bei seiner Lektüre auf den Begriff Flut, der in seinem Kopf
zunehmend zu einer Metapher für gesellschaftliche Fehlentwicklungen und natürlich für
den Klimawandel wurde. Den solchermaßen entstandenen Rahmen malte Zoghlami Stück
für Stück aus, zunächst assoziativ, dann immer konkreter. In mehreren, immer wieder
durch zahlreiche Konzerte unterbrochenen Blöcken nahmen Bukahara „Tales of The Tides“
schließlich das gesamte Jahr 2022 über mit den Produzenten Moses Schneider und Tilman
Hopf im Red Horn District Studio auf. „Das ist eine alte Mühle in der Nähe von Detmold“,
sagt Zoghlami, „in der wir bereits unser letztes Album aufgenommen hatten. Mitten im
Grünen – ein wichtiger Ort für die Band.“
Die nach dem Titelsong zweite Single aus dem Album beginnt mit einer munteren Trompete
und einer herrlich spröden Folkgitarre: „Same Kind of People“ ist eine reduziert startende,
sich kontinuierlich aufbäumende und stetig an Dynamik zulegende Ballade mit diesem auf
einmalige Weise gleichzeitig wehmütig und entschieden klingenden Gesang von Soufian
Zoghlami. Es geht um soziale Ungleichheit und das schmerzhafte Gefühl, nicht
dazuzugehören, Zoghlami steigert sich dazu in einen hingebungsvollen Soul-Gesang.
Das beschwingte „Border“, das als dritte Single ausgekoppelt wird, bringt anschließend
das Selbstverständnis von Bukahara auf den Punkt: „On the map they drew so many lines“,
wundert sich Zoughlami über willkürliche Grenzziehungen: „And I don’t know why /
Anyone should still listen to these rules.“ Das derlei vermeintliche Regeln für diese Band
nicht gelten, belegt auch das sehnsuchtsvolle „Stein“, eine herrlich windschiefe Moritat mit
brummenden Chören und der einzige auf Deutsch gesungene Song auf dieser Platte.
„Trails of Bones“ schließlich ist ein weiterer Schlüsselsong: Zwischen 1519 und 1867
wurden rund elf Millionen Westafrikaner als Sklaven in die sogenannte Neue Welt
verschleppt. Bis zu zehn Prozent von ihnen überlebten die Überfahrt nicht, ihre Leichen
wurden achtlos ins Meer geworfen. Genetiker haben gefundene Skelette – immer noch in
Ketten gelegt – untersucht und unter anderem mit dieser Methode ziemlich genau die
Routen des damaligen internationalen Sklavenhandels von der westafrikanischen
Atlantikküste in die verschiedensten Regionen Nord-, Mittel- und Südamerikas festgelegt –
ein „Trail of Bones“
Der Folk-infizierte Blues „Trails of Bones“ ist vom Geiste Robert Johnsons durchweht und
erinnert an Taj Mahal oder Lead Belly. Eine reine Geschichtsstunde ist der Song mitnichten:
Im Mittelmeer entstehen längst neue Knochenwege, aber diesmal lesen wir darüber nicht
im Geschichtsbuch, sondern Tag für Tag in der Zeitung und im Internet. Wir sind
gewissermaßen live dabei, aber ändern wir etwas daran?
Darum geht es auf „Tales of The Tides“, dem wunderbaren neuen Album der GlobalFolkband Bukahara: unser gestörtes Verhältnis zur Natur und untereinander, die Agonie
und den Zynismus, vor allem aber um den unbeirrbaren Glauben an Veränderung und
Menschlichkeit, an eine liberale Mehrheitsgesellschaft und internationale Solidarität.
Die Lieder, die Soufian Zoghlami zu diesen Themen geschrieben hat, sind ihrerseits
freiheitlich und international, vor allem aber sind es die bislang besten Songs dieser
Karriere. Die Musik von Bukahara ist auch auf „Tales of The Tides“ immer noch
durchdrungen von nordafrikanischen Einflüssen ebenso wie von Balkan-, Klezmer- und
arabischen Akzenten. Ihre sich aus diesen Einflüssen ergebende Musik haben Bukahara
indes zu einer Folk-Internationale gebündelt, die aktuell niemand so spielt wie sie.
Auf „Tales of The Tides“ türmt sich diese Folk-Internationale zu einer Flut der ganz anderen
Art auf: Ja, dieses Album beschreibt einen Flutzyklus. Aber einen lichtdurchfluteten, in dem
Liebe, Verständnis, Menschlichkeit und Wärme zählen. Und Hoffnung, die ganz besonders.
Themen, mit denen die größte unbekannte Band Deutschlands eigentlich in jedes Radio
und jede Zeitung gehört.
Der Rolling Stone nennt Cari Cari die wichtigste Live-Entdeckung des Primavera Sound Festivals
in Barcelona. Das Duo schaffte es auf Platz 6 der meistgebuchten Newcomer Europas und wird
seit ihrem Debut “AMERIPPINDUNKLER” von Blogs und Magazinen weltweit als eine der
spannendsten Neuentdeckungen Europas gehandelt. Internationale Medien bezeichnen das
Duo abwechselnd als “The Lovechild Of The Kills and The XX” (IndieShuffle, US) "with a pinch
of Morricone"(FM4, AUT) oder die nächsten “Cat Power" (BestBefore, AUS). Bei unzähligen
Auftritten von Australien bis Portugal und auf renommierten Festivals, wie Eurosonic
Noorderlsag (NL), The Great Escape (UK), Linecheck Milano (ITA) übertraf Cari Cari wieder und
wieder die Erwartungen aller Teilnehmer und wurde auch in Österreich am Waves Vienna
Festival von einer internationalen Expertenjury zur besten Newcomer-Band des Landes gekürt
(XA-Award)
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