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Antilopen Gang + Amewu | Samstag 15/02 2020 20.00 h Bielefeld, Lokschuppen
| vvk: 29,95 € abk: 30,00 € |
Jeder kennt diese Filmszene, in der irgendein Einsatzleiter hektisch „Abbruch Abbruch“ in sein Funkgerät ruft.
„Abbruch Abbruch“ ist das Gegenteil von „Zugriff“, ist sofortiger Rückzug, Panikreaktion und somit die einzige
vernünftige Antwort auf den Wahnsinn, der uns umgibt. „Abbruch Abbruch“ ist auch der vieldeutige Titel des dritten
Albums der Antilopen Gang, mit dem Danger Dan, Koljah und Panik Panzer ein beeindruckendes Manifest der
Rückkehr zur Realität im HipHop gelungen ist. Seit der Veröffentlichung ihres Debüts „Aversion“ im Jahr 2014 hat
sich die Antilopen Gang Schritt für Schritt ein eigenes Freigehege erschaffen und sich dort jeden Wunsch erfüllt, der
auf ihrer Bucketlist stand: Von der eigenen Kunst leben zu können, möglichst viele Konzerte auf riesigen Bühnen zu
spielen, durch Shitstorms zu waten, Punk komplett neu zu erfinden und danach wieder zu beerdigen, sich ausgiebig
zu streiten. Und nach dem Erreichen der Spitze der deutschen Charts 2017 mit dem Album „Anarchie und Alltag“
konnte auch der profane Traum vom Nummer-Eins-Album erfolgreich abgehakt werden. Mit „Abbruch Abbruch“ wird das Steuer ab jetzt, satte drei Jahre später, noch schärfer rumgerissen und konsequent
auf die Gegenfahrbahn gelenkt. Also: keine Deluxe Box, kein Ballast, einfach nur Musik. Deutschrap produziert nur
noch Tracks um die zwei Minuten Spielzeit? Die Antilopen nähern sich mit ihren Songs konsequent der
Fünfminutengrenze. Sie breiten sich aus mit ihren fieberhaften Klängen, suhlen sich darin, in ihren unerhörten
Texten, oszillierenden Bildern voll inspirierender Collagen, einer völlig neuen Themenwelt voll plastischer
Innovationen, komplexer Werke und chimärischer Figuren. So steht nun das dritte Antilopen-Album an der Schwelle
zu einem neuen Jahrzehnt für nichts weniger als eine emblematisch neue Lesart der Tradition urbaner Musik!
Und doch ist „Abbruch Abbruch“ durch und durch ein Rap-Album, für das sich die Gang ganz bewusst so viel Zeit
genommen hat, wie nie zuvor. Soundtechnisch wurden selbstverständlich - in äußerst fruchtbarer Zusammenarbeit
mit dem avantgardistischen Münchener Produzentenkollektiv C.O.W. - ein Dutzend Schippen draufgelegt; die
Antilopen Gang klingt so, wie sie immer klingen wollte. Textlich wurde es kleinteiliger, genauer, aber auch
großmäuliger. Danger Dan, Koljah und Panik Panzer spielen alle ihre Stärken souverän aus, können sich blind
aufeinander verlassen, haben sich als Gang endgültig gefunden. Auf vorhersehbare Allgemeinplätze und lahmen
Konsens wurde verzichtet, man legt den Finger in die Wunde, geht dahin, wo es weh tut, verschont natürlich auch
sich selbst kein bisschen. Das ist lustig und traurig zugleich. Darin erinnert das Album stellenweise an die alte
Antilopen Gang (2009-2013), die noch zu viert war. Und von deren Ende der filmreife Schlüsseltrack „2013“
eindringlich berichtet. Die Antilopen Gang ist heute, zehn Jahre nach Bandgründung, beinahe sieben Jahre nach dem Tod von
Gangmember NMZS und fünf Jahre nach ihrem Debütalbum, so hungrig wie es eigentlich Newcomer sein sollten
und so pointiert, dass es weh tut. „Abbruch Abbruch“ kommt exakt im richtigen Moment, in dem die allgemeine
Langeweile über den tumben Playlistenrap einen pausenlos angähnt. Die Antilopen Gang aber steht über den
Dingen und hat zum Höhenflug angesetzt; sie hat es geschafft, frischen Wind zu bekommen, ohne den Kurs zu
wechseln, sich selbst zu übertrumpfen, ohne sich aufzuplustern, sich zu entblößen, ohne das Gesicht zu verlieren.
Und liefert damit das erste große, wichtige Rap-Album des neuen Jahrzehnts. Alles für die Gang!
Die Antilopen Gang besteht aus Koljah, Danger Dan und Panik Panzer. Die Wege der drei Lebenskünstler aus
Düsseldorf und Aachen kreuzten sich erstmals 2003 auf dem geheimen Treffen eines subversiven HipHop-
Netzwerks. Die leiblichen Brüder Danger Dan und Panik Panzer erkannten schnell, dass sie mit Koljah einen
Wahlbruder gefunden hatten: genau wie sie ein desillusionierter Teenager, der viel Bock auf Rap, aber wenig Bock auf die Rapszene hatte. Fortan brachten sie in zunächst unübersichtlichen Konstellationen mit unterschiedlichen
Mitstreitern Rap auf die Bühnen alternativer Jugendzentren und vergammelter Punkschuppen im gesamten
Bundesgebiet. 2009 gründeten Koljah, Danger Dan und Panik Panzer gemeinsam mit ihrem Freund NMZS die Antilopen Gang, die
zu dem Zeitpunkt weniger eine klassische Musikgruppe, sondern vielmehr ein Dachverband für die verschiedenen
musikalischen Aktivitäten ihrer umtriebigen Mitglieder sein sollte. Etliche heute legendäre Underground-
Veröffentlichungen folgten, die Gang organisierte eigene Touren auf D.I.Y.-Basis und erspielte sich mühselig eine
kleine bekloppte Anhängerschaft.
Die chaotische, aber vermeintlich heile Welt der Antilopen Gang wurde 2013 durch eine Tragödie erschüttert: Der
schwer depressive NMZS nahm sich das Leben. Dieses schreckliche Ereignis markierte einen Wendepunkt im
Selbstverständnis der Gang. Ganz bewusst und auch auf den Wunsch des verstorbenen Freundes hin, lösten sich
die Antilopen nicht auf, sondern es bildete sich bei den verbliebenen Musikern eine „Jetzt erst recht“-Mentalität
heraus. Befeuert von diesem Ehrgeiz, fasste die neue Antilopen Gang den Entschluss, sich zu professionalisieren,
vorerst alle Soloaktivitäten der Gang unterzuordnen und so bald wie möglich das gemeinsame Albumdebüt
„Aversion“ zu realisieren. Dieses erschien Ende 2014 durch bizarre Koinzidenzen ausgerechnet bei JKP, dem
bandeigenen Label der Toten Hosen, die den drei Desperados volle Handlungsfreiheit für ihre musikalisch-
konspirative Wühlarbeit zusicherten.
War die Antilopen Gang zuvor jahrelang nur einem erhabenen Kreis gut informierter Underground-HipHop-
Connaisseure bekannt gewesen, erreichte sie nach Veröffentlichung von „Aversion“ ungeahnte Aufmerksamkeit:
Charteinstieg und einstweilige Verfügungen, ausverkaufte Touren und Morddrohungen, Rock am Ring und Freital,
VIA! Award, New Music Award und Amadeu Antonio Preis, Tagesschau und Kollaps. Dieser Wahnsinn sollte sich
2017 mit der Nummer-Eins-Platzierung des zweiten Albums „Anarchie und Alltag“ noch steigern. Jahrelang hatten
die Antilopen verlauten lassen, sich nicht dem Mainstream öffnen zu wollen, sondern dem langweiligen Einheitsbrei
da draußen so lange Paroli zu bieten, bis sich der Mainstream der Gang öffnet. Nun war der Plan der Gang
aufgegangen.
Doch nicht nur in den Charts, sondern auch live entwickelte sich die Antilopen Gang zu einem Aufreger und
Publikumsmagneten erster Güte: Mit ihrer energiegeladenen, irrwitzigen Bühnenshow irgendwo zwischen Rüpelrap,
Schrammelpunk, Poptiraden, Klaviereinlagen und Improvisationsjazz zählen sie zu den großen Innovatoren der
hiesigen Musik-Szene. Viele hundert Konzerte in ausverkauften Hallen und von Zehntausenden umjubelte Auftritte
auf den renommiertesten Festivals in Deutschland, Österreich und der Schweiz sprechen eine deutlich Sprache. Die
Antilopen Gang ist nicht mehr wegzudenken.
Geboren und aufgewachsen in Berlin, hat die Stadt Amewus Rapstil geprägt. So hörte er sich lieber Battle Rap an, als den Spaßrap, der im Rest der Republik populär war. Der beteuerte redundant wie toll doch alles wäre. Aber Amewu ist wütend und hat Diskussionsbedarf. Deshalb muss Rap für ihn auch aggressiv sein. Gleichzeitig bedarf es aber der Reflektion, denn man sollte wissen, woher die Aggression kommt und nach Ursachen suchen.
Durch die Freakcamp und Keep It Rollin Veranstaltungen rutschte er in andere Genres, die MCs einsetzten. Er traf unvoreingenommene Menschen, die er vorher im HipHop nur selten getroffen hatte. In kürzester Zeit machte sich Amewu in der Grime-Szene einen Namen; . Hier existierte eine Nische, in der sich anfangs noch viel Platz befand, wenn man schnell rappte. Gleichzeitig wurden Grime und Dubstep immer populärer, weshalb Amewu bei vielen Veranstaltungen präsent war. Hierdurch wurde schließlich auch die Hip Hop Szene wieder auf ihn aufmerksam. Und so sah man ihn wieder verstärkt auf HipHop Events.
Gleichzeitig wurde für Amewu die Zusammenarbeit mit Bands relevant. Diesbezüglich prägte ihn musikalisch der Kontakt zu Long Lost Relative oder den Ohrbooten. Bei Sessions und Straßenmusikaktionen der Ohrbooten war Amewu oft dabei, wodurch er einiges lernen und selbst noch musikalischer werden konnte.
Werd und Amewu verbindet ein ähnlicher Musikgeschmack, wodurch DJ Werd nicht nur Amewus Lieblings DJ, sondern auch ein Freund und musikalischer Wegbegleiter wurde.
Amewus 2009 erschienenes Debutalbum „Entwicklungshilfe“ machte ihn als einen der besten und talentiertesten (Live-) MC’s Deutschlands bekannt. Dass ihm dieser Ruf vollkommen zu Recht vorauseilt, konnte er mit dem im Juni 2012 erschienen Nachfolger „Leidkultur“ eindrucksvoll beweisen.
In spezieller Eigenart beendet er seine Auftritte gerne mit langen Accapellas oder Ansagen. Viele seiner Stücke richten sich bewusst an das Publikum und Amewu macht kein Geheimnis daraus, dass sein Können Teil der Verführung ist. Der Inhalt ist ihm wichtig, die Form sein eigenes Mittel zu Zweck. Und man findet bei ihm fraglos das Selbstbewusstsein, das im Rap erwartet wird, jedoch nicht ohne ausreichend Selbstkritik und -reflektion. Dass man verändern kann und soll, selbst wenn man selber der Veränderung bedarf, das will Amewu vormachen, denn für ihn selbst ist Rap genau das.
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