demnächst

Element of Crime

+ Von Wegen Lisbeth


Freitag   22/04 2016   20.00 h
Bielefeld, Ringlokschuppen
vvk: 37,30 €
abk: 40,00 €



Element of Crime

www.element-of-crime.de

Das karge Brot der Wahrheit wird bei ELEMENT OF CRIME gerne geteilt. Eigentlich ist es nicht wichtig: wie lange es diese Band schon gibt, was sie schon alles gemacht und welche Bedeutung sie in der deutschen Musiklandschaft gewonnen hat. Nicht, dass es nicht interessant wäre: eine Band, die 1985 beim legendären AtaTak-Label ihr erstes Album aufnahm und seither dreizehn Studioalben geschaffen hat, hätte viel zu erzählen: von Düsseldorf und dem Pyrolator, von London und John Cale, von den Anfängen in den klammen Kellern der Westberliner Postpunk-Szene. Davon wie es ist, wenn man als deutsche Band englische Texte macht und dann irgendwann in die Muttersprache wechselt. Und all die Tourgeschichten aus den 80er, 90er und 00er Jahren...

Man könnte auch darüber reden, mit wem alles diese Band schon verglichen wurde und wie wahr und wie falsch das alles ist, und wie bei einem selbst sich das Bild dieser Band im Laufe der Jahre immer wieder verändert hat. Oder ob die Mitglieder Vegetarier sind, Medikamente einnehmen, bei Kaisers einkaufen und Sport treiben.

Bei ELEMENT OF CRIME gibt es interessanteres zu berichten: Die Band hat letztes Jahr das Album „Lieblingsfarben und Tiere“ veröffentlicht und geht 2016 wieder auf Tournee!

Die vier, die seit fast dreißig Jahren und dreizehn Alben eine Band sind tun, was sie tun müssen, Häuser aus Stein bauen, im Hier und Jetzt existieren, Songs schreiben und Platten aufnehmen. Eine Musik machen, die man voraussetzungslos, ohne Vorwissen hören und lieben kann. Mit Titeln wie „Schade, dass ich das nicht war“, „Rette mich (vor mir selber)“ und „Wenn der Wolf schläft, müssen alle Schafe ruhen“, die davon handeln, dass man beim Tanken auch das Zahlen vergessen und Finger auch an der Jacke abwischen kann, wo die Wahrheit den Sinn alte Socke nennt und Erdbeermarmeladenbrote die Schulbücher versauen und was das mit der Liebe zu tun hat, wo Schwachstromsignale Übertragungsprobleme haben und Datensätze dorthin kommen, wo die Sonne niemals scheint – und wer bitte sonst kann so romantisch über dunkle Wolken, dieselben Sterne und nächtliches Nacktbaden singen?

Die Lieder tragen die unverwechselbare Handschrift von ELEMENT OF CRIME und das, obwohl jedes Lied dem, der die Band kennt, zugleich neu wie auch vertraut vorkommt. Live: ein folkiger Wind, der einem die Ohren freibläst, eine herbe Schönheit, die ein bisschen auf die Frühphase der Band verweist, auf die englischsprachigen 80iger Jahre, als man sie in aller Hilflosigkeit wahlweise (und wahllos) mit Velvet Underground, Bo Diddley oder Bob Dylan verglich. Es gibt da diese Tendenzen zum Lärm und zum Stampfen, zu Hammond-Orgel, Tambourin und Feedback-Gitarre, und wenn sie von Streichern sprechen, dann reden sie nicht vom süßen Schmelz, sondern eher von der „kratzig Violin“, wie sie 1991 in einem Text auf der Platte „Damals hinterm Mond“ erwähnt wurde. Live kommt da heuer, also im Jahre 2014, noch ein rauchiges Saxophon dazu und ein Element der Augenblicklichkeit, das einem immer wieder den Atem verschlägt. Und die Texte – man traut kaum den eigenen Ohren bei diesem Parforceritt durch eine seltsame Welt: da werden rechte Arme gegen ein Lächeln verschenkt, Horizonte zu Beleuchtungszwecken verbogen, Blumen beim Spar gekauft, Handys abgestellt, verbrennt die Sonne die Gardinen, beleidigen Häuser die Statik, man trifft sich im Baumarkt und in schwarzen Taxis, reden und rauchen, lachen und zittern – das ganze Programm.

Wie kommt man auf sowas? Und wieso ist das so schön? Wie können so ausgefallene Texte so musikalisch und wie kann so ??? Musik so bunt sein? Das sind Fragen, die sich ELEMENT OF CRIME nicht stellen. Sie sagen lieber, dass nichts so kalt sei, wie der heiße Scheiß von gestern, aber auch, dass Wiederholungen besser sind, als du denkst.




Support: Von Wegen Lisbeth

www.vonwegenlisbeth.de

de-de.facebook.com/vonwegenlisbeth

Auf ihrer Facebook-Seite versuchen sie Grand-Prix-Lena mit angebrochenen Snacks zu locken: „Komm rüber, wir haben noch eine halbe Tüte Chips!“, zu ihrem erweiterten Instrumentarium zählt eine elektrische Harfe - und in ihrem VW-Bus klafft ein Loch. Der Berliner Indiepop-Sensation Von Wegen Lisbeth ist es eben ernst, wenn sie in einem Stück verkündet: „Lang lebe die Störung im Betriebsablauf“.

Los geht die ganze Geschichte in einer längst vergessenen Welt, den mittleren Nuller Jahren. Statt Smartphones besitzt man Nokia-Handys, statt SSIO hört man Sido und die Jungs von Von Wegen Lisbeth sind noch total klein. Der Sport-Unterricht in ihrer siebten Klasse fällt aus (Herr Markquart = krank) und so fahren Matze und Jules in den heimischen Keller, kloppen auf einer Gitarre mit zwei Saiten und einem antiquarischen Drumcomputer herum. Begeisterungsfähigkeit und die Lust am Ausprobieren machen schon damals die Musik. Aus diesem privaten Urknall kursieren noch heute Stücke wie „Mein Kieferorthopäde ist ein Henker“. Doch glücklicherweise werden Von Wegen Lisbeth mit diesen Aufnahmen wohl nie erpresst werden, denn sie finden sich gebannt auf das Medium der damaligen Zeit: Mini-Disc. Kann heute eh keine Sau mehr abspielen.

Muss man aber auch nicht, ohnehin klingt die Gegenwart der Band reizvoller als der holprige Freistunden-Elektropunk zu Beginn. Über die Jahre haben sich Von Wegen Lisbeth, die durch Julian, Doz und Robert mittlerweile aus fünf Mitgliedern bestehen, voll funktionsfähige Instrumente zusammengesammelt, wobei der Spaß am Ungewöhnlichen immer noch ein Grundbedürfnis der Band darstellt: Ihr Soundhorizont übersteigt bei weitem das übliche Gitarre-Bass-Schlagzeug-Outfit. So sind Steeldrum wie Elektrische Harfe auch keine Proberaumstaubfänger sondern finden immer mal wieder pointiert Eingang in die eigene musikalische Welt.

Ebenfalls fernab von Stangenware präsentieren sich die Videos der Band. Eine Hand voll Visualisierungen zu ihren Songs hat Von Wegen Lisbeth schnell weit über YouTube hinaus viele Freunde eingebracht. Detailverliebt und enthusiastisch wird dort unter anderem auf Trimm-Dich-Rädern über Feldwege gefahren. Ohne Reifen wohlgemerkt. Stop-Motion-Technik macht es möglich.

Dem Geheimtipp-Status ist die Band mit dem seltsamen Namen so längst entwachsen (letzteren verdankt sie übrigens dem sogenannten „Knickzettelchenspiel“). Touren mit AnnenMayKantereit führten sie bereits in die ganz großen Hallen - nicht anders wird das als Opener von Element Of Crime dieses Jahr sein. Auf eigene Tour gehen ist allerdings nach wie vor am schönsten. Daher freuen sich die Jungs jetzt schon auf ihre zweite eigene Tournee im Herbst. Wer einmal Lust auf eine ganz spezielle Deutschlandreise verspürt, dem sei daher unbedingt der Tourblog der Berliner ans Herz gelegt (leicht zu finden auf www.vonwegenlisbeth.de). Zwischen Autobahnraststätten, Quatsch und Wahrhaftigkeit liest man sich hier durch die gesammelten Auswärtsfahrten. Allein die Eröffnung des Eintrags zu Ravensburg: „Wie soll man der Anziehung einer Stadt widerstehen, die das Wort ‚raven‘ schon von sich aus im Namen trägt?“

Nach all den EPs und Demoaufnahmen ist es 2016 nun auch endlich soweit: Das allererste Album wird im Sommer erscheinen und „Grande“ heißen. Diese Band meint es nämlich trotz aller Leichtigkeit verdammt ernst. Zum Glück.

Text: Linus Volkmann

 
Element of Crime


Element of Crime



präsentiert von