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Zurück Zuhause Festival | Freitag 27/12 2013 18.30 h Bielefeld, Ringlokschuppen
| vvk: Ausverkauft! |
Es spielen: Feine Sahne Fischfilet - Dagobert - Casper - Alligatoah -
Zurück Zuhause Festival: Casper, Cro, Thees Uhlmann, Miss Platnum in
Deutschlands erster Festivalkonferenz am 27. Dezember 2013
Nach dem großen Erfolg des Willkommen Zuhause Festivals 2012 im letzten Jahr findet nun die
zweite Auflage der ersten Festivalkonferenz Deutschlands statt. Mit einem neuen Namen wird das
Zurück Zuhause Festival das Konzept von 2012 nicht nur um eine Stadt und einen Gastgeber
erweitern, sondern auch zu einem einzigartigen crossmedialen und interaktiven Event ausgebaut.
Weihnachten ist das Fest der Liebe. Familien kommen zusammen, überhäufen sich mit Geschenken,
schlemmen was das Zeug hält - Tage voll Glückseligkeit und Harmonie. Aber, Hand aufs Herz, wir wissen
alle wie es ist. Noch bevor der erste Lamettastreifen den Nadelbaum umhüllt, droht ein dermaßener
Lagerkoller, dass man schon vor der Bescherung fluchtartig das Weite suchen könnte. Wie gut, dass
zwischen den Jahren das Zurück Zuhause Festival in vier deutschen Städten stattfindet, mit dem man dem
scheinheiligen Weihnachtsidyll entfliehen kann. Denn vier deutsche Top-Künstler werden am 27.12.2013 in
ihren Geburtsorten zum Gastgeber und bringen gemeinsam mit Jugendfreunden und großen Idolen ein
Festival-starkes Line-Up auf die Bühnen. In Bielefeld lädt Casper zum Weihnachtssingen, Cro feiert das
Fest der Liebe in Schwäbisch-Gmünd, Thees Uhlmann läutete den dritten Weihnachtsfeiertag im
niedersächsischen Hemmoor ein und Miss Platnum sorgt in Berlin für die richtigen Töne zum
Jahresausklang.
EinsPlus ist live dabei und bringt das dezentrale Festival am 27. Dezember als TV-Konferenz-Schalte und
als Online-Stream unter EinsPlus.de zu allen nach Hause. Außerdem werden Tweets, Instagram-Fotos und
Kommentare via Hashtag #ZZF in EinsPlus auf dem TV-Schirm ausgespielt. Auch auf den ARDRadiowellen
gibt es was zu hören: u. a. DASDING (SWR), 1LIVE (WDR), N-JOY (NDR) und Radio Fritz
(RBB) übertragen die jeweilgen Konzerte des Festivals live in ihren Stationen.
Was jetzt passiert, wird anders. Ganz anders. Am 27. September 2013 erscheint
»Hinterland«, das Neue Casper-Album. Es ist das insgesamt dritte Soloalbum des Rappers,
der sich nach dem ganz großen Durchbruch mit „XOXO“ einmal mehr musikalisch neu
erfunden hat. Von Komfortzonen und festgezurrten Erwartungshaltungen sollten wir uns also
verabschieden.
Das machen im Prinzip schon die ersten Töne des Openers »Im Ascheregen« klar,
gleichzeitig auch die erste Single des Albums. Ein gewaltiges Monstrum von einem Song,
das von einem Klavier, Paukenschlägen und majestätischen Bläsern eingeleitet wird. Doch
kurz bevor der Song ins Kitschige kippen kann, kommt diese einmalige Stimme: »Und wieder
von vorn, Fuß aufs Gas/In ein gutes Jahr/Sofort los (...) Richtung Zukunft fahren/Weg von
immer nur Leben ohne Riesengefahren«, rappt er unter anderem – und hat damit die
wesentliche Maxime dieses Albums auf den Punkt gebracht.
»Hinterland« ist eine Referenz an Springsteen und Americana und ganz viel mehr. Die
Essenz einer reichhaltigen musikalischen Sozialisation. »Hinterland« lässt das Alte hinter
sich und umarmt das neue. Die wichtigste Nachricht aber ist: »Hinterland« funktioniert. Mit
spielerischer Leichtigkeit gelingt es Casper, seine mannigfaltigen musikalischen Einflüsse zu
bündeln und zu einer homogenen Platte zu verdichten. Weil dieser Mann inzwischen über
eine derart starke Signatur verfügt, dass er die vielen Länder und Kontinente seines
musikalischen Imperiums spielend zusammenbringt. Anders ausgedrückt: Sobald Casper
den Mund aufmacht, ist es Casper-Musik.
Casper ist ein musikalischer Grenzgänger, das ist eh klar. Sein letztes Album »XOXO«
mischte die Karten im HipHop-Game neu und vitalisierte ein totgesagtes Genre. Eine noch
größere Überraschung war allerdings die Tatsache, dass Casper mit seinen tiefbiografisch
gefärbten Texten den Nerv einer ganzen Generation traf. Völlig unerwartet stieg »XOXO«
auf Platz eins der Charts ein, binnen weniger Monate spielte Casper Aberhunderte Shows,
die größten Festivals und wurde ausführlich zitiert.
Als der ganze Trubel sich schließlich legte, tat Casper das einzig Sinnvolle: Er machte
weiter. Im Oktober 2012 fährt er nur wenige Wochen nach dem letzten großen Festival-
Auftritt zu »XOXO« mit einer handverlesenen Gruppe von Musikern nach Spanien, um dort
die Basis für »Hinterland« zu erarbeiten. Neben Konrad Betcher und Jan Korbach aus der
Casper-Band ist damals auch schon Markus Ganter dabei, ein hochmusikalischer junger
Produzent, der unter anderem das Debüt der Band Sizarr aufgenommen hat. Ganter zur
Seite steht bei der Produktion von »Hinterland« kein Geringerer als Konstantin Gropper, der
Mann hinter Get Well Soon. Ein ideales Team, um die bis ins kleinste Detail präzisierten
Ideen des Nichtmusikers, aber exzellenten Dirigenten Casper umzusetzen. Bereits in
Spanien entstehen die Grundlagen für sechs neue Songs. Im Herbst 2012 zieht Casper dann
nach Mannheim, die Heimat von Ganter und Gropper, nimmt sich ein Zimmer in einer WG
und vollendet »Hinterland« in bis zum Sommer in Markus Ganters kleinem Kellerstudio.
Man muss sich das einfach mal vorstellen: Nach dem »XOXO«-Erfolg hätte er nach New
York oder Los Angeles gehen können, um dort mit den profiliertesten Rap-Produzenten der
Welt zu arbeiten. Er hätte sich die besten Features und die fettesten Beats holen können –
stattdessen nimmt er ein Album mit renommierten Indie-Musikern auf, die der Rap-Welt nicht
ferner sein könnten.
Und Tom Smith singt.
Richtig gelesen: Neben Kraftklub ist der Editors-Frontmann der einzige prominente Gast auf
diesem Album. Smith kam drei Tage nach Berlin, um mit »diesem deutschen Rapper« einige
Skizzen aufzunehmen, aus denen schließlich »Lux Lisbon« entstand, ein Song von enormer
Tiefe, der grenzenlose Räume aufmacht.
Und auch in die USA ist er trotzdem gegangen, nur nicht in der oben beschriebenen Weise.
Die Heimat zu besuchen, war für den gebürtigen Amerikaner Benjamin Griffey ein wichtiges
Element seiner musikalischen Spurensuche. In Mississippi, der heutigen Heimat seines
Vaters, entstanden unter anderem die Videos zu den ersten beiden Singles – und das
prägnante Album-Cover. »Ich hatte immer dieses klischeehafte Bild von den Seetaufen aus
der Zeit der amerikanischen Apartheid im Kopf«, erklärt Casper. »Religion hat eine
wunderschöne Ästhetik, ich finde das aber auch gleichzeitig alles sehr unheimlich, diesen
Zwiespalt hat es für mich schon immer in meiner Musik gegeben.«
Es gibt aber noch einen anderen, viel wichtigeren Amerika-Bezug auf diesem Album. Weil
»Hinterland« Geschichten erzählt, für die Deutschland schon immer zu eng war. Casper hat
die großen Springsteen-Epen von der kleinen Stadt, dem Ausbruch aus den Konventionen
und der Hoffnung auf ein besseres Leben irgendwo da draußen verinnerlicht. So entstanden
Songs vom Leben auf der Straße, wie sie in diesem Land auf diese Weise keiner erzählt,
schon gar nicht im HipHop.
Das Americana-Element in den Texten Caspers korrespondiert indes trefflich mit seiner
genuinen HipHop-Sozialisation. Weil er am Ende natürlich doch immer noch diesen
sportlichen Ehrgeiz hat, die eine Hammerzeile rauszuhauen, die alles andere in den
Schatten stellt. Diese besonderen Zeilen wirken auf »Hinterland« noch viel kräftiger als
zuletzt, eben weil sie nicht mehr ganz so oft eingesetzt werden. Weil Casper den Mut
aufbringt, Reim-Schemata zu durchbrechen und ein bisschen roher zu texten. Und wenn
dann ein Kracher kommt wie »Die falschen Drogen zur richtigen Zeit« oder »Für alles zu
haben, zu kaum was zu gebrauchen« (beides »Hinterland«), dann sitzt das eben richtig.
Nicht nur deshalb ist Casper seit »XOXO« textlich auf Augenhöhe mit den ganz Großen.
Auch wenn die Texte diesmal nicht ganz so krass im Vordergrund standen wie zuletzt. Weil
man die eigene Lebensgeschichte in dieser Intensität und Intimität ja auch nur einmal
erzählen kann. »Trotzdem empfinde ich die Platte textlich als einen Schritt nach vorne«, sagt
er. »Dadurch, dass ich mir mehr Melodien zugetraut habe, ist es textlich viel
runtergestrippter.«
Bestes Beispiel: »Ariel«. Immer zwischen Gesang und Rap changierend, singt er hier mit
einer hochmelodiösen Intensität, wie sie im Rap sonst nur Leute wie Drake erreichen.
Musikalisch findet sein Vortrag mit verhalltem Schlagzeug, Geisterchören und einer
reduzierten Akustikgitarre eine perfekte Entsprechung. »Ariel« ist ein ungewöhnlicher Beitrag
auf »Hinterland«, weil der Song einen Unglücksfall in Caspers Familie thematisiert. Plötzlich
gab es also doch wieder eine Art »Michael X« – weil das Leben einem manchmal die Inhalte
diktiert.
Am weitesten hinaus wagt sich Casper vielleicht mit »La Rue Morgue«. Ein betrunkener
Geisterchor trifft hier auf Tom-Waits-artige Erzählstrukturen – ein Song wie die Szene mit der
Sklavenkarawane in Quentin Tarantinos letztem Film »Django Unchained«. Ein durchaus
naheliegendes Bild übrigens, denn ähnlich wie der Großmeister des Zitatkinos ist auch
»Hinterland« eine riesige Hommage an die mannigfaltige Sozialisation des Künstlers, die
indes von dessen einzigartiger Handschrift und Cleverness zusammengehalten wird. Im
Prinzip bedient er sich also immer noch klassischer HipHop-Werkzeuge, nur dass die
Samples hier keine Samples sind, sondern nach dem Rock-Prinzip produzierte, analog
aufgenommene Passagen.
»Es ging bei dieser Platte schon auch darum, mich musikalisch neu zu erfinden«, sagt
Casper. »Ich muss jetzt nicht noch mal eine Rap-Platte machen, weil die hab ich ja schon
gemacht. Und die introvertierte, autobiografische Bekenntnisplatte hab ich eben auch
gemacht. Mich reizt immer das Neue, ich will nicht stehenbleiben.«
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