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Panteón Rococó | Freitag 05/11 2010 21.00 h Bielefeld, Kamp
| vvk: 17,60 € |
Rockmusik war nicht erwünscht in den frühen 90ern in Mexiko. Es gab wenige
Läden, die Konzerte organisierten und die, die sich das trauten, riskierten
meistens mehr als einfach nur ein paar kaputte Bierflaschen. Gewalt war
damals bei Konzerten an der Tagesordnung. „Es gab viele Auseinandersetzungen im Publikum und auf dem Weg zum
Konzert wurden Läden geplündert, Autos zerkratzt und Fenster
eingeschmissen.“, erinnert sich Dario Espinosa, der Mitte der 90er mit ein paar
Freunden PANTEÓN ROCOCÓ gründete. Es war nicht die erste Band, die in
diesen Zeiten in Erscheinung trat und mit großer Wahrscheinlichkeit würde
auch diese nach der Namensfindung in der Versenkung verschwinden. Aber
dieses Mal schien es anders. Die Energie, die sich freisetze, wenn die Freunde
musizierten, kannten sie so nicht, sie schien einzigartig.
Die Gründung der Band erfolgte inmitten einer sozialen und politisch
schwierigen Zeit. Zu diesem Zeitpunkt führte die Regierung in Chiapas Krieg
gegen die EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional), die für die
Stärkung der Rechte der indigenen Bevölkerung eintrat und sich dabei auch
das Recht zusprach gewaltsam zu kämpfen. In Mexiko Stadt, weit entfernt von
den gewaltsamen Auseinandersetzungen, wurden unter anderem von der
Szenerie in der die Bandmitglieder zu Hause waren Konzerte, Demonstrationen
sowie Infoabende organisiert und es wurde Geld gesammelt, um die Zapatisten
zu unterstützen. Die Ungerechtigkeiten, die die Mitglieder von PANTEÓN
ROCOCÓ sahen, verarbeiteten sie in ihren Songs und schafften somit eine
wirksame Möglichkeit, um die Probleme zu artikulieren und auf diese
aufmerksam zu machen.
Schnell begriffen sie, dass sie allerdings nur Auftritte bekommen würden, wenn
sie ihr schon damals stetig wachsendes Publikum gegen die
Gewaltausschreitungen vor, während und nach den Konzerten sensibilisieren
könnten. „Aus dem Grund hat Luis, unser Sänger, sich vor den Shows immer
an das Publikum gewandt und die „Ejército De Paz“ (Friedensarmee)
ausgerufen. Eine Armee die anstatt zu schießen, tanzt, springt, singt und
friedlich ist.“, erzählt Dario. Die Friedensarmee sollte so einen Gegenpol zu den
Armeen, die töten, um vermeintlich Frieden zu schaffen. Somit wurde aus
einem Konzert gewaltloser Protest gegen sinnlose Gewalt und ein friedlicher
Weg die Energie auf die Probleme zu fokussieren, die zuhauf in Mexiko zum
Alltag gehören.
Die Idee ging auf und schon früh war ein PANTEÓN ROCOCÓ Konzert eines der
wenigen, das komplett gewaltfrei verliefen. Die Friedensarmee begann zu
wirken.
Fünf Jahre später kam eine Einladung ins Haus, die für die auf neun
Mitgliedern herangewachsene Band einen Wendepunkt in der bis dahin positiv
verlaufenden Bandgeschichte darstellte. Der erste Auslandsaufenthalt stand ins
Haus. Obwohl es wegen der überschaubaren Distanzen auf der Hand lag ins
benachbarte Ausland zu fahren, um Konzerte zu spielen, kam die Einladung
vom FUSION Festival. Diese Reise im Jahre 2000 war nicht nur die erste ins
Ausland, sondern auch die erste richtige Tournee die die Band gespielt hat.
15 Jahre nach der Bandgründung und 10 Jahre nach ihrem ersten
Deutschlandtrip sind PANTEÓN ROCOCÓ eine Band, die sowohl in ihrem
Heimatland als auch in Zentral-und Südamerika, in den USA und in Europa
intensiv tourt und jede Gelegenheit live zu spielen, wahrnimmt.
Ihre Reisen schärfen die Sichtweise auf die Problematiken Mexikos. Luis, der
Sänger, sagt dazu: „Die Realität unseres Landes ist in voller Härte durch
unsere Konzertreisen zu spüren. Wir können uns vor Ort mit den Leuten
unterhalten und die erzählen uns was gerade in Vera Cruz, Tijuana, Chiapas
oder anderen Regionen abgeht. Eine traurige Realität, da in Mexiko seit
längerer Zeit ein sehr blutiger Krieg zwischen der Regierung und der
Drogenmafia stattfindet.“ Es ist ein Krieg, in dem es viele unschuldige zivile
Opfer gibt.
Diese Realität wird von PANTEÓN ROCCÓ in Songs wie zB. DEMOCRACIA
FECAL (Scheiß Demokratie) verarbeitet. In dem sie den mexikanischen
Präsidenten Felipe Calderón Hinojosa stark für seine Politik kritisieren. Sie
nennen es seine Interpretation von Demokratie, die Demokratie FECAL.
Dass die Politiker keine gern gesehene Berufsgruppe in Mexiko sind, wird
immer wieder in den Songs von PANTEÓN ROCOCÓ verarbeitet. Ein Song
namens CERDOZ (Schweine) und aber auch ABAJO Y A LA IZQUIERDA (Unten
und Links) spricht mehr Leuten aus der Seele als einfach nur neun Musikern.
„Die Songs handeln davon, dass du enttäuscht bist, von den Leuten, die in
Mexiko Politik machen. Dass man immer wieder sehen muss, dass die Politiker
sich untereinander in die Haare kriegen, wegen Nichtigkeiten und Dummheit.
Um gleichzeitig Wichtiges und Existenzielles komplett außer Acht zu lassen. In
Mexiko City gibt es unter den Jugendlichen, den jungen Menschen so was wie
eine gemeinsame Losung, dass alle ABAJO Y A LA IZQUIERDA (Unten und
Links) sind. Und so dem Politiker sagen, dass er sie mal am Arsch lecken kann.
Dass seine Politik falsch ist, dass wir einen echten Wechsel benötigen, und
dass sie seine Art zu regieren leid sind.“, fasst Leonel, Gitarrist, die Stimmung
und den Inhalt des Songs zusammen.
Aber PANTEÓN ROCOCÓ haben, frei nach dem Motto „Es ist nicht meine
Revolution, wenn ich nicht dazu tanzen kann!“, schon immer auch Songs
fernab von Politik geschrieben. Ein Lied wie „ARREGLA ME EL ALMA“ (Reparier
mir die Seele) besingt die Sehnsucht nach Liebe mit einer Leidenschaft, dass
man das Leid förmlich spüren kann.
Und wenn bei SI YA LO SE der großen Party und dem Besäufnis gehuldigt wird,
sind auch diese Worte mit einer unverkennbaren Authentizität behaftet.
Ihr unermüdliches Touren und die Glaubwürdigkeit ihrer Musik machen sie
nicht nur in Mexiko und Lateinamerika zum Sprachrohr einer ganzen
Generation. Auch in den USA und Europa gehören sie zur musikalischen
Linken, denn ihre Botschaft ist global zu verstehen.
In diesem Jahr feiern Panteón Rococó „15 años ejército de paz“! Den
Startschuss dazu gaben sie in Mexiko City wo sie gemeinsam mit 11.000 Fans
darauf anstießen. Weiter ging es nach Europa, 20 Konzerte in 20 Tagen
standen auf der Agenda, um mit den hiesigen Fans und Freunden zu feiern.
Gekrönt wurde die Jubiläumstour mit einer Einladung zu einem Konzert
anlässlich des 100. Geburtstages des FC ST. PAULI im Hamburger
Millerntorstadion! Was einem Ritterschlag für die Band gleich kam, sind sie
doch schon seit Jahren bekennende Fans des Vereins!
Mit ihrem nun 5. Album „Ejército De Paz“ runden sie das Jubiläumsjahr ab und
fassen zusammen, was in 15 Jahren Bandgeschichte nach wie vor bewegt.
Ungerechtigkeit und Gewalt beherrschen nach wie vor die Politik und den Alltag
in Mexiko als auch weltweit und somit sollen diese 15 Jahre erst der Anfang
sein. Die Ejército De Paz, die Friedensarmee wächst weiter und tanzt, hüpft,
singt für den friedlichen Protest!
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