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Maximilian Hecker | Samstag 29/05 2010 20.30 h Bielefeld, Bunker Ulmenwall
| vvk: 14,50 € abk: 15,00 € |
Im Jahr 2008 erreicht Maximilian Hecker einen Punkt, an dem er absolut
keine Freude mehr an seinem Beruf empfinden kann.
Er fühlt, daß es ihm seit seiner sieben Jahre zuvor getroffenen
Entscheidung, Musik zu seinem Beruf zu machen, einfach zu selten
gelungen ist, während eines Konzertes oder einer Studioaufnahme
authentische Gefühle auszudrücken. Hecker sieht sich eingezwängt in ein
zum Teil von außen diktiertes, teils selbst gewähltes Korsett aus
Perfektionszwang und Konventionen. Ein Großteil dessen, was er bis dahin auf der Bühne und im Studio
zustande gebracht hat, so schildert er rückblickend, sei nur ein verkümmertes Zitat seines Gefühles
gewesen, sein Kanal zur Seele in solchen Aufnahme- und Livesituationen wie verstopft.
Die Studioarbeiten zu seinem letzten Album »One Day« im April 2008 werden für Hecker zum Horrortrip,
eine schwelende, nagende Versagensangst ist sein ständiger Begleiter. Er verliert seine Stimme, die
Aufnahmen müssen deswegen wochenlang unterbrochen werden. Und auch seine siebte Asientour im
November des gleichen Jahres empfindet er als quälend: ausverkaufte Konzerte, die oft zitierten
»kreischenden Mädchen«, doch Hecker mit dem »Tod im Herzen« – keine Vibes, kein musikalisches Gefühl,
folglich keine Erlösung.
Und dann passiert ihm Nana.
Nana, eine japanische Prostituierte, die Hecker in einem Moment des »Rock Bottom«, also dem Punkt, an
dem er sich ganz unten fühlt, in Tokyo über den Weg läuft.
Diese für ihn kathartische und gleichzeitig traumatische Begegnung – beschrieben im gleichnamigen Song
des Albums – läutet für Hecker den von ihm so bezeichneten »Verwesungsmodus« ein. Um zu »überleben«,
zerstört er alle einengenden Strukturen seines Umfeldes – er befreit sich von narzisstischen Anforderungen,
hört auf, sich zu rasieren, kultiviert die Jogginghose als Allltagskleidung, nimmt Abstand vom anderen
Geschlecht, ja sogar von der Vorstellung, irgendwann einmal echte Liebe zu finden. Und er fängt wieder an,
Strassenmusik zu machen – eher: öffentlich zu meditieren, oft bis zu sechs Stunden am Stück, immer nur
singend, wenn ihm niemand direkt zuhört – denn nur so bleibt sein Kanal zur Seele geöffnet.
Und Maximilian Hecker beginnt schließlich, seine Songs kurz nach deren Entstehung mit einfachsten Mitteln
(häufig mit nur einem Raummikrophon) in seiner eigenen Wohnung aufzunehmen; mit all dem Straßenlärm
und dem Schmutz. Das Festhalten des inspirierten Moments; Heckers Seele, sein reines Gefühl auf Band
verewigt.
Sämtliche rationalen, Heckers Gefühl abtötenden und zeitversetzten Prozesse – wie das Arrangieren, das
Festlegen der Instrumentierung, das Schreiben verdichteter Lyrics (die Texte auf dem Album sind zum
Großteil ein direkt aus dem Herzen kommender Bewußtseinsstrom, improvisiert im Moment der Aufnahme)
und schließlich die professionelle Aufnahme – sie werden unterbunden; übrig bleibt nur die Essenz: das
reine Gefühl, die künstlerische Unschuld.
Diese [Zitat Hecker] »Kampfansage an das Musikbusiness« gibt Hecker das verloren geglaubte musikalische
Gefühl, beschert ihm künstlerische Seligkeit und die vermisste Identifikation mit dem eigenen Werk.
Und so erleben wir mit »I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son« einen von
den Toten auferstandenen Maximilian Hecker, erstarkt, strahlend – wie seine zuvor noch im Winterschlaf
liegende Seele.
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