|
Anna Ternheim | Donnerstag 17/09 2009 20.30 h Bielefeld, Ringlokschuppen
| vvk: 23,50 € abk: 24,00 € |
Nach den überwältigenden Erfolgen ihrer beiden ersten Alben "Somebody Outside" (2004) und "Separation Road" (2006), für die Anna Ternheim in ihrer Heimat Schweden mit diversen Preisen ausgezeichnet wurde, durfte man auf das dritte Album der jungen Songschreiberin mächtig gespannt sein. Die Frage war, ob ihr erneut ein Geniestreich gelingen würde. Schon nach den ersten Takten des Openers von "Leaving On A Mayday" dürfen alle, die befürchteten, daß Anna Ternheim die Ideen ausgehen könnten, erleichtert aufatmen: Unter der Regie des Produzenten Björn Yttling hat die Sängerin zehn neue Stücke aufgenommen, die ihre Autorität als Songschreiberin nachhaltig bestätigen. Anstatt den sicheren Weg einzuschlagen, suchten Anna und Björn kompromißlos nach neuen musikalischen Ansätzen: Die Songs sind kristallklar und direkt und verstecken sich nicht hinter aufwendigen Arrangements oder klanglichen Tricks. Die Instrumentation ist spartanisch und der Fokus vollkommen auf Annas Stimme und ihre Lyrik gerichtet.
Die Weichen für "Leaving On A Mayday" stellte Anna Ternheim im Sommer 2007, als sie Björn Yttling fragte, ob er mit ihr an ihrem kommenden Album zusammenarbeiten wolle. (Yttling ist Mitglied der erfolgreichen schwedischen Band Peter, Björn & John. Als Produzent arbeitete er in den letzten Jahren schon mit Lykke Li, Primal Scream, Shout Out Louds, Sahara Hotnighs und der früheren Concretes-Leadsängerin Victoria Bergsman an ihrem Solo-Projekt Taken By Trees.) Anna war gerade dabei eine Tournee zu beenden, auf der sie ihr zweites Album "Separation Road" vorgestellt hatte. Krönender Abschluß dieser Tournee war ein ausverkauftes Konzert in der 4000 Zuhörer fassenden Annexet-Halle in Stockholm. Eine genauere Vorstellung davon, was sie auf ihrem nächsten Album machen wollte, hatte Anna Ternheim zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Klar war ihr nur, daß sie eine neue Richtung einschlagen wollte und daß ihre Stimme und ihre Texte das Fundament bilden sollten. Björn verstand sofort, wonach sie suchte, und sagte ihr: "Hör dir Nina Simone, Bob Marley und Cornelis Vreeswijk an. Laß dich inspirieren, und ruf mich in sechs Monaten an!"
"Nachdem ich auf der Bühne des Annexet meine bombastische, dunkle Popmusik präsentiert hatte, kam in mir das Verlangen auf, diesmal einen anderen Pfad einzuschlagen", meint Anna Ternheim. "Für mich ist die Beendigung der Aufnahme eines Albums auch gleich der Beginn eines neuen. Das ist eine natürliche Reaktion. Wenn man sich über einen gewissen Zeitraum mit einem Projekt so intensiv beschäftigt hat, von nichts anderem mehr geträumt hat und so fanatisch daran gearbeitet hat, dann erreicht man irgendwann den Punkt, an dem man gelangweilt ist und mit seinen eigenen Sachen nichts mehr zu tun haben möchte."
Im Herbst 2007 gab die Sängerin drei Konzerte in New York, um dort den Boden für die Veröffentlichung des Albums "Halfway To Fivepoints" zu bereiten (das Album, das im Prinzip eine "Best Of"-Zusammenstellung der Songs von "Somebody Outside" und "Separation Road" ist, erschien im April 2008). Nach dem abschließenden Auftritt in New York traf sich Anna erneut mit Björn, um ihm nun das von ihr geschriebene neue Songmaterial zu präsentieren. Björn war begeistert. Nach den Weihnachtsferien zogen sich die beiden mit dem Jazzschlagzeuger Fredrik Rundqvist in den Proberaum zurück, um die Musik auszuarbeiten.
"Es war unglaublich inspirierend mit Björn zu arbeiten. Durch die Gespräche mit ihm wurde ich daran erinnert, wie ich zu singen pflegte, als ich noch ein Kind war... damals ließ ich mich einfach von den Melodien treiben und sang vollkommen befreit." Kurz danach buchten sie das klassische Atlantis-Studio in Stockholm, wo sie dann live - mit den Streichern - die Basis-Tracks für dieses Album aufnahmen.
Als Anna und Björn noch mit der Arbeit an dem neuen Album beschäftigt waren, setzte sich Anna Takanen, die künstlerische Leiterin des Göteburger Stadttheaters, mit Ternheim in Verbindung. Der international renommierte Regisseur Stefan Metz hatte, während er die Inszenierung von Howard Korders Schauspiel "The Lights" (schwedischer Titel: "Storstadsljus" / deutscher Titel: "Im Lichtermeer") vorbereitete, sehr intensiv Ternheims 2007 erschienene EP "Lovers Dream" gehört. Und nun wollte er Ternheim die Musik für seine Aufführung schreiben lassen. Anna nahm das Angebot an und bat ihren alten Produzenten Andreas Dahlbäck, ihr bei den Arrangements und der Aufnahme der Musik für diese Produktion zu helfen. "Storstadsljus" erlebte im März 2008 seine Premiere und wurde von der Kritik begeistert gefeiert.
Eigentlich war Anna mit den Aufnahmen für ihr neues Album und der Musik für die Theateraufführung schon bestens ausgelastet. Doch dann beschloß das renommierte Label Decca Records auch noch "Halfway To Fivepoints" in den USA herauszubringen. Und so mußte Anna Ternheim in ihrem ohnehin schon prall gefüllten Terminkalender auch noch diverse Reisen in die USA und nach Kanada unterbringen, wo eine Reihe von Interviews und sage und schreibe 26 Konzerte anstanden. Einen Teil dieser Auftritte bestritt sie gemeinsam mit El Perro Del Mar, Lykke Li und dem experimentellen Folksänger Joseph Arthur. Als sie merkte, daß die ständigen Reisen zu energieraubend wurden, zog sie kurzentschlossen nach New York.
"Das war eigentlich ein Zufall", spielt Anna den Umzug in die Musikmetropole der Welt herunter. "Wenn ich gemerkt hätte, daß ich mit meiner Musik in Finnland gut ankomme, dann wäre ich nach Turku gezogen. Jeder Wechsel setzt bei mir Energie und Kreativität frei. Das war schon immer so. Durch einen Ortswechsel komme ich auf neue Ideen."
Und so beendeten Anna und Björn die Aufnahmen für "Leaving On A Mayday" im New Yorker Sear Sound-Studio. Das Album gelang Anna tatsächlich so, wie sie es sich ganz zu Anfang schon vorgestellt hatte: Ihr Gesang und ihre Texte stehen definitiv im Mittelpunkt der Aufnahmen. Und Produzent Björn Yttling setzte mit sicherer Hand ein paar aufregende Akzente. Das Musik funkelt wie ein ungeschliffener Diamant.
"Einige der Songs meines neuen Albums haben einen mehr erzählenden Charakter", erläutert Anna Ternheim. "Ich bin sehr viel allein auf Tournee gewesen und konnte mich dabei dann nur auf meine Stimme und meine Texte stützen. Und das führt einen auf natürliche Weise dann dahin, daß man plötzlich mehr Songs schreibt, die eine richtige Geschichte erzählen."
An der Aufnahme des Albums waren auch ein paar amerikanische Musiker beteiligt: darunter Sonic-Youth-Schlagzeuger Steve Shelley und der Gitarrist Matt Sweeney, der in letzter Zeit zu einer Art Hausgitarrist von Produzenten-Legende Rick Rubin avancierte und schon auf Alben von Johnny Cash, Neil Diamond, Cat Power, Bonnie Prince Billy und den Dixie Chicks mitwirkte.
"Das letzte Album war wie ein schwarzer, glänzender, schwerer Stein", unternimmt Anna Ternheim einen Versuch, das neue Album mit "Separation Road" zu vergleichen. "‘Leaving On A Mayday’ ist ein bißchen wie eine schmutzige weiße Feder und asketisch."
Das Cover von "Leaving On A Mayday" gestaltete die bekannte Fotokünstlerin Helena Blomqvist. Anna hatte Helenas Bilder für die Ausstellung "The Dark Planet" gesehen und beschloß sofort, Fotos von Blomqvist für das Booklet ihres neuen Albums zu verwenden. Wie sich dann herausstellte, war Helena auch ein Fan von Annas Musik. Tatsächlich hatte sie diese bei der Vorbereitung der Ausstellung gehört. "Mich zogen die Farbtöne ihrer Bilder an - sie haben etwas Dunkles und Surreales, das mir sofort zu Herzen ging", sagt Anna Ternheim. "Ich nahm letzten Sommer mit ihr Kontakt auf und war absolut begeistert, als sie zusagte mit mir zu arbeiten."
|