demnächst

Madsen

+ Bosse


Sonntag   11/01 2009   20.30 h
Bielefeld, Ringlokschuppen
vvk: 19,40 €



Madsen

www.madsenmusik.de
www.myspace.com/madsenband

Nun liegt es da, das dritte Album. Das dritte Album, das immer das schwierigste oder wichtigste Stück für jede Band ist, weil man sich angeblich neu erfinden soll oder will, weil die Presse, die Freunde, die Plattenfirma wieder kritischer schauen, weil für viele Bands sich damit entscheidet, wie die Zukunft aussieht.

Nach zwei erfolgreichen Alben („Madsen“ und „Goodbye Logik“) mit dem Produzenten Sven Bünger, wollten die Jungs neue Wege beschreiten und nahmen die 12 Songs von „Frieden im Krieg“ unter der Regie von O.L.A.F. Opal in Bochum auf. Vor allem Sänger Sebastian wollte unbedingt mit ihm arbeiten, weil er die Alben von Notwist, Readymade und Miles schätzt, die Opal produziert hat: „Die klingen alles so erfrischend undeutsch“. Und da er auch Bands wie Juli produziert hat, wusste ich, dass er viele verschieden Arten von Musik produzieren kann.“ Kennen gelernt hatte Sebastian ihn auf der Release-Party zu „Goodbye Logik“. „Ich wurde ihm dann vorgestellt und sagte dann „Endlich!“ Das war ein bisschen peinlich,“ schmunzelt Sebastian.

Opal ermutigte Sänger Sebastian bei den neuen Songs mal wieder mehr zu schreien. Besonders bei den ruhigeren Stücken sollte er wieder rotziger klingen, deshalb schickte er Sebastian vor den Aufnahmen auch schon mal vor die Tür, um zehn Minuten lang rumzubrüllen. Die Stimme war danach angekratzt und klein geworden und Sebastian war danach nur noch in der Lage zu hauchen. Und genau so war es gewollt. „Wir hatten auch von uns aus wieder Bock, etwas extrem zu klingen,“ erzählt Sebastian. „Wir wollten etwas aufnehmen, dass rotzig, gewaltig, anders und nicht professionell klingt“. Viele werden bei diesem Satz vielleicht grinsen, denn klangen Madsen je anders?

Mit einem Urschrei eröffnet die Band die erste Single „Nachtbaden“. Treibende Drums und verzerrte Gitarren bestimmen den Song. „Hättest du nicht Lust, mit mir den Abend zu verbringen, gegen den Frust. Wir könnten nachtbaden gehen“, brüllt Sebastian. „Auf dem Lande sitzt man oft alleine, trinkt Bier und denkt, dass das Leben an einem vorbei rasselt,“ beschreibt Sebastian das Leben im Wendland. „Und natürlich hasst man die szenigen Leute, die zu stylischer Elektro-Mucke tanzen gehen und Wodka-Red-Bull trinken. Mit einem hübschen Mädchen dann nachtbaden gehen ist doch viel besser,“ so der Frontmann. Stefan Raab konnte sich auf jeden Fall da auch reindenken und wählte den Song für seinen „Bundesvision Song Contest“, wo Madsen dann auch sogar Platz4 belegen konnten. Für die Band eine Überraschung, dass sie bei so einem Format punkten konnten.

Von O.L.A.F. OPAL wurde auch eine neue Arbeitsweise eingeführt. Alles wurde nacheinander aufgenommen – ohne, dass der Livecharakter der Songs darunter gelitten hätte. „Bleib bei den Dingen, die du liebst“, schreit Sebastian in „Verschwende dich nicht“. Und auch der Opener „Ja oder Nein“ oder „Liebeslied“ lassen sofort erkennen: das sind Madsen.

Nicht nur produktionstechnisch und musikalisch sind Madsen neue Wege gegangen. Auch textlich setzt Songwriter Sebastian jetzt auf mehr Verständlichkeit. „Ich bin müde geworden von den Texten der deutschen Indierockmusik. Da wird zu viel geklagt, geleidet und in Selbstmitleid gebadet. Da schließe ich uns auch mit ein. Es musste was Neues her. Ich bin halt kein Student mehr, der nicht weiß, wohin mit seinem Leben. Wir wollten was Konkretes sagen.“ So ließ sich der Songwriter für den Song „Nitro“ von dem Film „Elephant“ des Kultregisseurs Gus van Sant inspirieren. Darin geht es um das Attentat von Columbine. „Man sollte vorher genau hinschauen und nicht erst, wenn solche Attentate passieren,“ so Sebastian.

Eine neue Ernsthaftigkeit spiegelt sich auch im Titelsong wieder. „Frieden im Krieg“ ist dabei aber keine Anti-Kriegs-Hymne. „Der Song ist aus einem Harmoniewunsch von mir entstanden, in einer sehr schwierigen Phase für mich,“ erklärt Sebastian.

Natürlich gibt es auf dem dritten Album von Madsen auch ein paar ruhigere, getragenere Nummern. Allerdings wurden dafür die Streicher, die beim letzten Album eingesetzt wurden, vom Produzenten gestrichen. Und zwar ganz. „O.L.A.F. hat uns überredet, keine Streicher zu benutzen,“ so Sebastian. Der Song „Vollidiot“ sollte sich an den großen Soulballaden der 60er Jahre von Otis Redding orientieren, einem der Lieblingssänger von Sebastian. Eine Soulballade braucht aber Bläser – das war die einhellige Meinung in Bochum. Und so kam Opal auf die Idee, Micha Acher von The Notwist den Song zu schicken. Der hat ihn für gut befunden und dann seinen Bläserpart dazu beigesteuert.

Der Song „Astronaut“ schlägt ebenfalls in dieselbe Kerbe wie „Vollidiot“. Der Song sollte so eine Art Hippie-Charakter bekommen, mit Orgel und ganz dezentem Schlagzeug. „O.L.A.F. hat mich gezwungen die Drums leise zu spielen. Das war eine ziemliche Herausforderung für mich,“ so Sascha.

„Wenn der Regen“ bietet auch eine Neuerung: Sascha hatte im Radio den Hit „Young Folks“ von Peter, Björn and John gehört und sich von dessen Schlagzeuganfang inspirieren lassen. Sebastian steuerte auch noch was bei und so haben die Brüder zum ersten Mal einen Madsen-Song zusammen geschrieben.

„Frieden im Krieg“ ist also wieder härter und extremer, aber auch moderner, mit neuem Produzenten und neuer Arbeitsweise haben Madsen den Mut bewiesen und bestanden. Das dritte, ach so schwierige dritte Album... und gleichzeitig das beste Album von Madsen. Bis jetzt.


Support: Bosse

www.bosse-rockt.de

www.myspace.com/bosserockt

»Guten Morgen Spinner«

Axel Bosse ist einer, der die Nacht gerne zum Tag macht. Wenn der Sänger, Gitarrist und Songschmied mit seinen drei Kompagnons Björn Krüger am Schlag- zeug, Thorsten Sala an der Gitarre und Theofilos Fotiadis am Bass eine Büh- ne betritt, dann treiben sie sich stets mit leidenschaftlichen musikalischen Kraftakten zu Schweißausbrüchen, dass der Funke dann auch schnell aufs Publi- kum überspringt. Eine Band, die ihre Konzerte dynamisch gestaltet wie einen Boxkampf. Schlag auf Schlag, poetische Ringpausen inklusive. Das wirkt ebenso aus dem Bauch heraus furios wie geradlinig auf den Punkt gebracht. Die Rock- songs von Bosse, die im Grunge ebenso ihre Wurzeln haben wie im Indie-Rock, sind nicht selten schnörkellose Kracher wie »Kraft«, die Single, die Bosse im letzten Jahr nach vorn gebracht hat, oder wie die neue Single »Die Irri- tierten«: furioser Gitarrenpop, ein Song über Freundschaft und Jugend, eine Hommage an Axels erste Band, an seine beiden besten Kumpels. Keine Nostalgie, sondern eine unmissverständliche Reflexion.

Klartext reden, das ist schon eine Kunst für sich. Klartext spielen, das ist vielleicht noch seltener. Beides gelingt Bosse auf ihrem zweiten Album mit Bravour. Um die zwölf Tracks von »Guten Morgen Spinner« unter Dach und Fach zu bekommen, hat die Band gerade mal eine Hand voll Tage gebraucht. Produzent Moses Schneider (Beatsteaks, Kante, Tocotronic) hatte die vier Ende letzten Jahres erstmals live erlebt und staunte über die Diskrepanz zwischen der sehr direkten und mitunter höchst explosiven Bühnenpräsenz und dem doch eher ver- spielten und zuweilen artifiziellen Ansatz des Debütalbums »Kamikazeherz«. Die neuen Songs, die größtenteils unterwegs entstanden sind, »fast wie nebenbei«, so Bosse, sind schon in ihrem Ursprung wesentlich ungezwungener. Folgerichtig und konsequent wurden sie dann auch ohne viel Federlesens und ohne zusätliche Gimmicks frei von der Leber weg aufgenommen. Vollgas unter Live-Bedingungen. Moses in der Mitte und die Jungs außenrum. Ein Album wie ein Rockkonzert. Da hat es sich bewährt, dass Bosse so gut aufeinander eingespielt sind.

Seit der Veröffentlichung des Debütalbums, das sehr wohlwollend aufgenommen wurde und mit »Kraft« auch einen dynamischen Hit hervorbrachte, der in Clubs, im Radio und in den Charts gleichermaßen erfolgreich war, hat sich einiges getan im Leben des Musikers, der Poesie und Rockmusik auf so erfrischende Weise kombiniert. Über einhundert Konzerte, von kleinen Clubs bis zu großen Festivals sowie als Support für Mando Diao, haben die Band fest zusammen geschmiedet. Die vier Musiker sind inzwischen musikalisch und menschlich zu einer Familie geworden. Aus dieser stimmigen Chemie heraus, aber auch aus privatem Glück hat sich für den 26-jährigen Bandleader ein ganz neues Selbst- verständnis entwickelt: »Ich bin einfach entspannter geworden und betrachte

Musik nicht mehr so verbissen. Das ist, glaube ich, extrem wichtig. Außerdem habe ich zwar mein kleines Zimmer in Berlin behalten, bin aber jetzt nach Hamburg gezogen, weil mir Berlin viel zu hektisch geworden ist. Ansonsten spielt das Ankommen in der Liebe eine extrem große Rolle auf dem Album.«

Bereits der Opener »Wenn wir schlafen« ist ein zärtlich zerbrechlicher Zustandsbericht über das prickelnde Gefühl einer durchgemachten Nacht. Der Augenblick, wenn man glücklich und erschöpft ins Bett fällt, während der Rest der Welt um einen herum gerade erwacht. Es ist eine dieser für Bosse typischen Momentaufnahmen, die sich jedoch in ihrer sprachlichen Klarheit deutlich von älteren Songs unterscheidet. »Ich habe das Gefühl, dass ich mich auf dem ersten Album hinter Metaphern und Zweideutigkeiten versteckt habe und was ich gelernt habe, ist, dass man Sachen viel einfacher ausdrücken kann und sie einen trotzdem wegknallen. Mir ging es sehr darum, das auf den Punkt zu bringen.« Das gelingt ihm immer wieder. »Plötzlich« ist ein peitschender Leitfaden für Lebensmut, dieses existentielle, für jede persönliche Entwicklung wichtige ‘Höher, Schneller, Weiter’, gebündelt in markigen Sätzen wie »manchmal ist es besser bei null zu starten als bei acht zu verblöden«. In seinen Themen und Thesen bleibt Bosse immer ganz nah an der Realität und findet doch immer wieder einen rebellischen Ton, sei es für die taube Sprach- und bittere Aussichtslosigkeit am Ende einer Beziehung (»Eigentlich, eigentlich «), für das Scherbengericht nach einer Trennung (»Irgendwo unterm Staub«) oder für das gestochen scharfe Porträt eines sympathischen Verlierers, der seinen Lohn in Spielautomaten versenkt (»Bei Costas«); sei es im überspitzten Lied über den Ennui der kleinen Fluchten (»Ade Euphorie«) oder im poetischen Epilog »Seemannsblau«, einem Gegenstück zum Prolog »Wenn wir schlafen«. Bei genauem Studium des Albums lassen sich ohnehin immer wieder Verknüpfungen zwischen den Songs bilden.

Zu den zentralen Songs zählt natürlich auch der Titelsong: »Guten Morgen Spinner« ist auch das Resultat einer durchwachten Nacht, entstanden im Mor- gengrauen am Ufer der Spree. »Der Song bietet eigentlich alles, was das Album ausmacht: Ruhe, ein bisschen Härte, das Ankommen und das darüber Nachdenken, was die Dinge sind, die mir wirklich lieb sind.« Mit »Frankfurt Oder« ist ihm eine der schönsten Liebeserklärungen gelungen, die man in diesen Tagen in deutscher Sprache hören kann. Ein Plädoyer für die grenzenlose Liebe, die auch unter dem engen Horizont des kleinbürgerlichen Idylls unantastbar bleibt. Sven Regener, Popmusiker und Literat, war so angetan von dem Song, dass er der Bitte, eines seiner melancholischen Trompetensoli beizusteuern, mehr als nur gerne nachgekommen ist. »Das ist schon so etwas wie ein Adels- schlag für uns«, schwärmt Axel Bosse. »Element Of Crime gehören zu den Bands, mit denen ich aufgewachsen bin und von denen ich auch schon immer Fan war.« Die Liebe als Pulsschlag des Lebens (»du bringst mich elegant in eine neue Liga«) hat Bosse auch in »Dein Takt«“ brillant beschrieben und mit einer euphorischen Melodie ausstaffiert.

»Guten Morgen Spinner« ist ein kurzes und kompaktes Werk, konzentriert produziert, ungezwungen interpretiert. Den blitzgescheiten Rocksongs von Bosse steht diese Lockerheit gut. Vor allem die schnellen Songs strahlen eine sengende Hitze aus, in der man sich suhlen möchte. Bosse dürften mit diesem musikalischen Befreiungsschlag noch mehr Herzen entflammen als es ihnen mit »Kamikazeherz« gelungen ist. Definitiv ein Album, mit dem sich manche Nacht um die Ohren schlagen lässt – und das auch für die Band Bosse ein sicheres Fundament bildet, auf dem sie ihrem Temperament freien Lauf lassen können. Guten Morgen, Musik!

Juni 2006

 
Madsen



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