|
Dynamite Deluxe + DJ Haitian Star | Donnerstag 28/02 2008 20.30 h Bielefeld, Ringlokschuppen
| vvk: ausverkauft |
Irgendwann geht alles einmal zu Ende, und man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Nach
jahrelanger intensivster Zusammenarbeit bis zur gemeinsamen Wohnung, zig Mixtapes, gefeierten
Tourneen durchs Land, Mongo Clicke, Undergroundlegenden-
Status, ersten Charterfolgen und Preisen waren sie an einem
Punkt angekommen, da sie jeder für sich alleine in die Welt
hinaus wollten. Die Gruppe war sehr erfolgreich geworden,
und neben aller Erfolge war das natürlich auch ziemlich
stressig, aber das alleine wäre noch lange kein Grund
gewesen, gleich die Gruppe zu beerdigen. Es hatte sich zu
einer Situation entwickelt, in der sie sich mehr oder weniger
nur noch auf den Sack gingen. Keiner hatte irgendwann die
Zeit gehabt, den Wahnsinn der letzten Jahre mal in Ruhe zu
verarbeiten, und ewig zu dritt kommt man logischerweise
kaum zur Ruhe. Kurz gesagt, sie hatten sich auseinander gelebt, aber da gab es ja ein
gemeinsames Kind, und das, da waren sich Sam, Tropf und Dynamite noch ein letztes Mal einig,
sollte nun wirklich nicht darunter leiden. Letztendlich war es dann das Beste, die Sache zu beenden,
bevor eines Tages doch noch einer mit der Schrotflinte ins Studio kommt. Ein sauberer,
kompromissloser Schnitt, und schon waren die seit sechs Jahren scheinbar untrennbar verbundenen
Lebensläufe für immer getrennt. Eigentlich. Musik blieb für alle drei der Treibstoff, die Tinte, das
Mojo, also trafen sich ihre Wege doch immer wieder, und wiesen auch aus Entfernung erstaunliche,
ja zum Teil mysteriöse Parallelen auf. Zufall? Schicksal? Oder einfach Deluxe?
Sam und Tropf blieben geschäftlich in der ersten Zeit ohnehin noch durch das Eimsbush-Label
verbunden, für dessen Künstler Tropf fleißig weiter produzierte und remixte, und an dem auch Sam
bis zur Pleite seine Anteile hielt. Währenddessen war Dynamite auf eine Abenteuerreise rund um die
Welt aufgebrochen, mit dem Traum und Ziel, sein Lieblingsalbum mit seinen Lieblingskünstlern zu
machen, und mit Hip Hop, Soul und Reggae seinen eigenen Street-Soul zu mischen. In Jamaika,
London und New York arbeitete er dabei mit Legenden wie Junior Reid und Diamond D, und konnte
sich selbst überzeugen, wie das Musikbusiness in den großen Studios der weiten Welt läuft.
Learning by Producing. Und nach hunderten, wenn nicht tausenden Stunden in Studios und
Flugzeugen hatte Dynamite seine Welt in eine Scheibe gepresst: „Welcome To The World Of Joni
Rewind“. Zu Hause in Deutschland übertraf Sams erste Platte „Samy Deluxe“ gerade alle
Erwartungen, „Weck mich auf“ schockte die Single-Charts mit sozialer Message, und der „Cannabis-
Rapper“ zeigte erstmals eine politische Seite, die ihm bis dahin wohl keiner zugetraut hatte: Ein
Samy Deluxe, der zu gesellschaftlich relevanten Themen eine Meinung hat und auch kein Problem
damit hat, sie deutlich zu sagen. Ob Aids, Drogen oder Rassismus, er ist bis heute einer der wenigen
Musiker in Deutschland, der regelmäßig Stellung bezieht. In diesem Sinne eher im Hintergrund blieb
dabei Tropf, was bei ihm aber noch nie auf Untätigkeit zurückzuführen war. Im Gegenteil: Obwohl er
gerade mit seinem Studio umgezogen war, mit Jan Delay den „Bushbeats“-Verlag gründete und die
„La Boom“-LP produzierte, hatte er immer noch den Saft, auf Sams erstem Solo den musikalischen
Löwenanteil zu produzieren, und natürlich kam auch kein anderer als „Deutschlands tightester Live-
Mischer“ in Frage, schließlich auch den Tour-Sound zu managen. Nebenbei: Mit den zweitmeisten
Beats hatte bei der Platte selbstverständlich auch Dynamite wieder seine langen Finger im Spiel.
Überhaupt waren vor allem Sams Alben immer wieder Gelegenheiten, zusammen zu arbeiten, ob es
nun die Solos waren, oder das nun folgende Tag-Team-Projekt „ASD“ mit Afrob. Nun war es Sam,
dem Deutschland zu klein wurde, und der einen neuen Sound im Kopf hatte. Als Rap-Fan machte er
sich selbst das größte Geschenk, indem er selber über den Teich flog und einen Großteil des
Budgets in Beats aus dem Mutterland investierte, unter anderem von dem leider schon verstorbenen
Jay Dee und von dem bereits erwähnten Diamond D. Da saß Sam sozusagen am selben Tisch, unter dem einst Dynamite schon vergeblich versucht hatte, seine Beine auszustrecken. In der
Heimat machten sich die Drei schließlich ans Mischen dieses feinen Materials und konnten so aus
erster Hand die Arbeit von Leuten begutachten, die den deutschen Produzenten doch noch ein paar
Jahre voraus waren. Auch für diese Tour verantwortete niemand anders als Tropf den Live-Sound,
und kurz danach mischte er auch schon das „Beginner“-Nr.-1-Album, „Blast Action Heroes“.
Unglaublich: Die Arbeitslosenzahl im Land stieg auf fünf Millionen, aber diese drei Typen gehörten
definitiv nicht dazu. Sam eröffnete den lange Zeit sehr erfolgreichen „Bounce“-Club in Hamburg,
während Dynamite mit Rap-und Reggae-Sets in der Schweiz und in Deutschland Party machte. Das
was Tropf schon seit einiger Zeit schaffte, nämlich unabhängig seine Musik rauszubringen, war auch
Sams nächster Schritt, dafür gründete er „Deluxe Records“ und holte als erstes Dynamite ins Boot,
um das „Hamburgs Finest“-Projekt zu pushen. Und auch Dynamite folgte in gewisser Weise Tropfs
Fußspuren, und baute sich endlich sein eigenes Studio, in dem er unter anderem das „Hamburgs
Finest – Let’s go!“-Album mischte. So hatte sich jeder über die Jahre auf eigene Beine gestellt, Sam
verpflichtete quer durch Deutschland Talente für sein Label, Tropf coproduzierte und mischte Jan
Delays „Mercedes Dance“-Album und -Tour und es wäre wohl ewig so weitergegangen, hätten sie
sich nicht 2004 für die Produktion von Sams „Verdammtnochma!“ zwei Wochen eingeschlossen, und
zu ihrer Überraschung gemerkt, dass sie sich doch noch länger als zwei Stunden im selben Raum
aufhalten konnten, ohne gleich in wilde Vorwürfe und wüste Beleidigungen auszuarten. In diesen
zwei Wochen erkannten sie, dass ein Rest der gemeinsamen Basis jeden Sturm überstanden hatte,
und die Vergangenheit endgültig vergangen war. Und sie erkannten, dass sie eine neue Mission
haben.
Seit diesem Zeitpunkt war die Platte bei jedem der drei fest im Hinterkopf verankert. Jeder hat weiter
konzentriert an seinem Kram gearbeitet, aber zwischen Zeiten der Funkstille wurde mal ein Beat
rüber geschickt oder ein Sample gebunkert, mal ging ein Text zurück und so verstrickten sie sich
immer weiter in die gemeinsame Arbeit. Nach sieben Jahren, in denen Dynamite Deluxe schon
Geschichte war, konnten sie natürlich nicht gleich Vollgas geben, sondern mussten sich erst wieder
langsam an die roten Bereiche rantasten. Schließlich sollte dies wieder eine runde Platte werden, die
den gestiegenen Ansprüchen der Bandmitglieder gerecht wird. So haben sie konsequent Einfluss
aufeinander genommen, Sam auf die Musik und Tropf und Dynamite auf die Texte, und kamen dem
Album immer näher, hinter dem sie nun geschlossen stehen. Prototypen wurden gefertigt, fertige
Tracks wurden noch einmal komplett überarbeitet oder flogen gleich ganz raus, es war eine härtere
Auslese als bei Mon Chérie-Kirschen, bei der sie sich gegenseitig wirklich einiges abverlangt haben,
aber nur so war es möglich, dass jeder am Ende das bekam, was er wollte. Denn das war von
Anfang an klar: Es konnte kein Remake geben, es musste ein neues Kapitel sein, in das sie ihre
Erfahrung und ihr Wissen aus den letzten Jahren einfließen lassen würden. Mal wieder eine Bombe
bauen und richtig auf die Kacke hauen. Vier Jahre sind genug Zeit, um rekordverdächtige Perlen zu
züchten, und nun kommt das Ziel, auf das sie schon so lange und hart hingearbeitet und für das sie
wie die Eichhörnchen gesammelt haben, endlich näher. Dieser gigantische Entwicklungsprozess, der
ja letztendlich schon mit der Trennung 2001 begonnen hatte, diese zweieinhalb Jahre Forschung
und eineinhalb Jahre intensiver Produktion, alle Mühe und Zweifel ergeben am Ende nicht mehr und
nicht weniger als die beste Platte, die Sam, Tropf und Dynamite machen können. Ein Album, das
kein Anderer und auch keiner von den Jungs alleine machen kann.
Bald in einem Konzertsaal auch in Ihrer Nähe.
Dynamite Deluxe 2008.
|