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Ohrbooten + P.R. Kantate | Mittwoch 07/11 2007 21.00 h Bielefeld, Kamp
| vvk: 13,35 € abk: 14,00 € |
Eins ist schon mal klar, wir sitzen alle in einem Boot. Man kann es auch Raumschiff Erde nennen. Dieses Boot hält grad einen ziemlich zweifelhaften Kurs, es herrscht allgemeine Verwirrung, nicht nur sprachlicher Natur; Türme werden gebaut und zerfallen zu Asche; statt sich um wesentliche Dinge zu kümmern, wird um´s goldene Kalb getanzt. „Babylon bei Boot“ nennen die Ohrbooten ihr zweites Album, das erinnert an Bob Marley and the Wailers, deren Boot hatte allerdings Räder. Was diese Band (und eigentlich alle Menschen) verbindet, ist ihr Spaß an positiven Vibrationen, guter Laune und toller Musik.
„Babylon bei Boot“ spült sonnenwarme Wellen in die Hörkanäle, sie dringen zu den Ohren ein, durchfluten Hirn, Bauch und Herz, schwappen in die Füße und fließen als Schweiß zu den Poren wieder ´raus. Reggae, Hip Hop, Funk, Dancehall, Weltmusik, Rock und Pop transportieren Bootschaften von einem Leben, in dem jeder gerne spritzige Parties feiern kann, doch dabei soll er bitte den Kopf über Wasser, und Augen sowie Ohren offen halten. Das paritätisch besetzte Quartett (zwei Ossis, zwei Wessis) nennt seine Genre-Grenzen überschreitenden Lieder Gyp Hop. Abgeleitet von Gypsies, also Reisenden, die sich auf dem gesamten Globus (am liebsten unter freiem Himmel) tummeln. Hop dagegen steht für Städte, Straßen, Clubs und Kultur, mithin das urbane Element dieser kosmopolitischen Klänge.
„Hier ist die Crew born auf dem Bordstein / und hast du Bock mit uns an Bord zu sein / dann laden wir dich und dein ganzes Dorf ein“ (aus: „Babylon By Boot“)
Der Reigen neuer Ohrbooten-Schallwellen ist so vielfältig wie vielschichtig. „Beweg Dich“ etwa kommt orientalisch daher, sein Titel ist durchaus ernst zu nehmen, Tanzen zählt schließlich zu den obersten Gebooten der Berliner. Das Gleiche gilt für den Song „Man lebt nur einmal“. Genieß das Leben! - so lautet ein weiteres Geboot - am besten mit diesem Reggae-Groove. „Alle gegen Alle“ ist eine Ode gegen die Ellenbogengesellschaft, musikalisch in Dancehall-Form gegossen. „Number One“ entpuppt sich als purer Pop, während die Ballade „Zehn kleine Menschlein“ textlich ein stilles Wasser ist, an dessen Grund Religionskritik und Spiritualität schlummern. Ein weiteres Highlight ist „Keine Panik“, ein Reggae Tune, wo Culcha Candela-Vokalist Johnny Strange wie schon auf dem letzten Album mit im Boot ist.
„All unsere Vorfahren gingen übern Jordan / und da haben sie festgestellt / Gott ist eigentlich Liebe die jeder Mensch enthält“ (aus: „Zehn kleine Menschlein“)
„Erstmal kommt die Spielfreude, der Spaß am Klang und das Erleben von einem gemeinsamen Konzert. Es geht für uns darum, unsere Gedanken zu teilen und zu kommunizieren, um Energieaustausch und darum, einen Moment zu kreieren, den alle Beteiligten nie mehr vergessen“, so Frontmann und Cheftexter Ben zu der Hauptantriebskraft der Ohrbooten.
Die Ohrbooten gibt es so, wie wir sie hier haben, seit Oktober 2003. Halbgrieche Ben lernte erst Bass und Texten und dann Matze kennen. Matze besaß schon eine Gitarre und so gingen die drei, Matze, Ben und die E-Gitarre, fünf Jahre auf Tour durch die Fußgängerzonen der Republik. Mucke machen für kleines Geld und ein paar Verfahren wegen Ruhestörung.
Irgendwann trafen die Herren auf Onkel. Der Junge sollte Schlagzeug lernen, spielte aber bereits Klavier und besaß ein scheues Xylophon. Er hatte bei Death Metal- und Techno-Bands gewohnt, kannte alle gängigen Gesichtstätowierten der Stadt, hatte aber noch nie junge Frauen tanzen gesehen. Die Ohrbooten versprachen Onkel, genau dieses zu ermöglichen.
Dann kam Noodt, er kam aus Hamburg, sang Klavier und spielte Sopran, geriet aber irgendwann mal auf die schiefe Bahn, sprich in Jazzkreise. Noch später musste er sich als Kirchenorganist mit dem Dauerhall großer Räume herumschlagen und ging schließlich zum Theater. Hier trafen ihn die drei Ohrbooten beim Wischen der Bretter, die die Welt bedeuten. Sie adoptieren Noodt und beschlossen fortan, die Ohrbooten sollen es mal besser haben, als die Vier.
Mitte 2005 hieß es zunächst die erste eigene Platte namens „Spieltrieb“ rausbringen, in deren Gefolge die Band fast zwei Jahre nonstop auf Tournee war. Über 200 Konzerte kamen zusammen, so gross war die Nachfrage. In ihrer Heimatstadt Berlin gehören ausverkaufte Hallen mit mehren tausend begeisterten Zuschauern schon zum Alltag und auch im Rest der Republik erspielte sich die Band bereits mehr als den Status eines Geheimtipps.
Zu einem der Highlights im Jahr 2006 gehörte für die Ohrbooten die Auszeichnung mit dem deutschen Weltmusikpreises „RUTH" in der Kategorie „Newcomer". Die Preisverleihung erfolgte beim „TFF. Rudolstadt“, dem größten Folk-Roots-Weltmusik-Festival Deutschlands, welches jedes Jahr über 60.000 Besucher in seinen Bann zieht. "Eine solch hoffnungsvolle Mischung aus deutschen Landen frisch auf den Tisch (besser: in die Ohren) der Jury hat es lange nicht gegeben. So wenig ‚Asbach uralt’ ist diese Musik, dass sie unbedingt eine RUTH in der Kategorie Newcomer wert ist“, meinte die Jury in schöner Einhelligkeit.
„Es war mal ein Patient der hatte ne Beschwerde / Name Planet, Nachname Erde / er lebte dekadent sein Lifestyle war voll derbe“ (aus: „Keine Panik“)
Nun also „Babylon bei Boot“. War Vorgänger „Spieltrieb“ noch live eingespielt, bedient sich die Besatzung hier, wieder mit Lotse Moses Schneider (u.a. Beatsteaks) auf der Brücke, aller Möglichkeiten, die ein Studio zur Verfügung hat. Es galt, einen Superfett-al-forno-Sound zu zaubern. Ohrale Vollbedienung war die Devise der Bootschafter des globalen Geschmacks. Die Konzerte, die die Ohrbooten bislang über Bühnen und Plätze der Republik schaukelten, haben dem Vierer hörbar Wind in die Segel geblasen. Eine ganze Armada musikalischer Ideen lässt den Hörer immer wieder neue Details entdecken. Bens Reime ergießen sich wie ein willkommener Sommerregen über die groove-geladenen Melodien, Musik und Texte passen zusammen wie Meer und Möwen. Mit „Babylon bei Boot“ laden die Ohrbooten zu einer musikalischen Spritztour ein, willkommen an Bord!
„Ach wär das salzige Blau hier direkt vor meinem Bau / das fänd ich ja super schau / dann würd ich immer an ´n Strand gehen / lässig an ´ner Palme lehnen / und Mädels unter die Röcke spähen“ (aus: „Meerchen“)
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