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Schandmaul + Letzte Instanz | Dienstag 24/10 2006 20.30 h Bielefeld, Ringlokschuppen
| vvk: 22,00 € abk: 24,00 € |
Ins Licht
03.02.2006
„Ein Wind erhebt zum Sturme sich" (aus „Unerreicht")
Die LETZTE INSTANZ ist zurück! Zwar muss ihre Musik seit ehedem ein Ereignis genannt werden. Erst Ins Licht aber, ihre fünfte Veröffentlichung, zeigt die sieben Musiker in einer Verfassung, die in jeder Hinsicht außergewöhnlich ist. Sie klingen darauf so vital, so unverbraucht, so energetisch als träten sie – den Titel haben sie nicht nur deshalb klug gewählt! – zum ersten Mal ins Licht der Öffentlichkeit. Großen Anteil daran hat unanzweifelbar der neue Sänger. „Die Sängerposition neu zu besetzten", sagt Cellist Benni Cellini, „ist immer ein Experiment." Mit Holly, dem neuen Mann am Mikrofon, hat die LETZTE INSTANZ dieses Experiment gewagt und zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Er ist ein Glücksfall für die Stücke des Albums: Seine Texte arbeiten mit eindringlichen, ausdrucksstarken, klaren Bildern; seine Stimme vermag scheinbar spielend zwischen den unterschiedlichsten Stimmlagen und - führungen zu changieren, dabei verschiedenste Emotionen fokussierend und evozierend. Die so vielfältige und leidenschaftliche Musik der LETZTEN INSTANZ findet damit eine mindestens gleichwertige Entsprechung in Text und Gesang. Atmosphärisch bringt Ins Licht denn auch vieles auf den Punkt, was die vorherigen Arbeiten nur angerissen haben: Die LETZTE INSTANZ ist gefühlvoller, aggressiver und intensiver, aber auch melancholischer und reifer geworden.
„Und wenn sie doch auf ihrer Reise, Dunkelheiten hinterlässt" (aus „Sonne")
Am Anfang aber stand die Erneuerung: Die vergangenen Jahre sind an der LETZTEN INSTANZ nicht eben reibungslos vorbeigegangen. Der Rückzug von gleich drei Mitmusikern hat das alte Line-Up zerfallen lassen. Dabei haben Kalter Glanz (2001) und Götter auf Abruf (2003) zuvor sehr genau herausgearbeitet, in welchem Spannungsfeld sich die Gruppe seit 1996 bewegt. (Ernsthafter) Crossover hat ihnen nie als Schimpfwort gegolten, eher auf den Erneuerungswillen blicken lassen, der die LETZTE INSTANZ noch heute auszeichnet. Während ihre Frühphase eine eigenwillige Mischung aus Elementen der Folk- und der harten Metalmusik bestimmt, nehmen Kalter Glanz und Götter auf Abruf den Schritt in die Moderne auf ganz unterschiedliche Weise, zeichnen den Weg eines sich kompositorisch permanent entwickelnden Kollektivs nach: düstere Gothic-Klänge, beschwingter Folk, moderner Metal und Klassik gar – vor nichts schrecken sie zurück. Einer rigorosen Einordnung hat sich die LETZTE INSTANZ damit schon immer entzogen. Ihre unzähligen Konzerte unterstreichen den dynamischen und experimentellen Charakter ihrer Musik.
„Jeder Morgen beginnt am Horizont als heller Schein" (aus „Silber im Stein")
Es spricht also für die außerordentliche kreative Stärke der LETZTEN INSTANZ, für den frischen Wind, der mit den neuen Musikern aufgekommen ist, dass sie sich mit Ins Licht relativ schnell und plötzlich, sicherlich kraftvoller denn je zurückmelden. Als eine bloße Zweckgemeinschaft, die über die Musik hinaus nichts verbindet, hat die LETZTE INSTANZ sich nie verstanden. Und deshalb wird der von Benni Cellini als „Experiment" umrissene Prozess darauf abgezielt haben, künstlerische Partner zu finden, die sich auch menschlich auf allen Ebenen einbringen. Diese stärkste Bandkonstellation eint also Freundschaft und der Spaß an der Musik.
„Von allen fesseln befreit, zu jeder Schandtat bereit" (aus „Tanz")
Musik außerordentlicher Leidenschaft – das ist Ins Licht auch aus diesem Grund geworden. Die LETZTE INSTANZ hat das erreicht, indem sie in einigen Stücken die charakteristischsten und eindringlichsten Momente ihrer bisherigen Musik verbindet, in anderen etwas gänzlich Neues versucht. Man untertreibt keineswegs, wenn man dieses Album als ihr vielseitigstes bezeichnet. Eine „lachende und trotzdem nachdenkliche Seele" attestiert Gitarrist Holly D. Ins Licht – und findet damit treffende Worte für eine trotz aller Gegensätzlichkeiten homogene Musik. Während „Sonne", „Tanz" und „Unereicht" tanzbare, eingängige, mit den Muskeln zuckende Boliden sind, mutet „Sandmann", dessen Text Sänger Holly für seine Tochter geschrieben hat, balladesk an, zerbersten „Womit die Welt begann" oder das fragile „Silber im Stein" vor Sehnsucht, vor Poesie, vor Wehmut. Kein Grund aber atmosphärische Brüche zu befürchten: Alles fließt auf diesem Album, ist gleichermaßen dicht arrangiert und emotional aufgeladen. Dass alle Instrumente gleichberechtigt neben einander stehen, entspricht einem Selbstverständnis, das durchaus an eine Bigband gemahnt. Während Streicher bei mancher anderen Band etwa bloß dazu dienen, einen gewissen, einen fragwürdigen Exotenbonus zu besorgen, gebietet die LETZTE INSTANZ über die unbedingte Musikalität, ein organisches Klangbild zu forcieren. Dass Sigi Bemms Woodhouse Studios (u. a. Tiamat, The Gathering, Farmer Boys ) die richtige Wahl sind, aus einer vielschichtigen Musik jede Facette, jede Nuance herauszuholen, sollte dabei nicht extra erwähnt werden müssen.
„Kleines Stimmlein, stell dir vor, kräftiger wärst du im Chor" (aus „Das Stimmlein")
Mit „Das Stimmlein" bekennt die LETZTE INSTANZ sich eindeutig zur hiesigen, alternativen Musikszene: Für dieses Lied, das davon handelt, dass erst die Gruppe die Energien des Einzelnen richtig hervorzubringen vermag, hat man sich mit Eric Fish (Subway To Sally), Thomas Lindner (Schandmaul) und Sven Friedrich (Zeraphine) respektierte Kollegen ins Boot geholt. Der gemeinsame Schulterschluss darf als Ausdruck eines gestärkten Selbstbewusstsein gesehen werden. Es gibt gute Musik, die Emotionen transportiert und etwas zusagen hat – die LETZTE INSTANZ ist seit Jahren ein gutes Beispiel für diese positive Entwicklung in der Musiklandschaft. Ins Licht als Gesamtwerk strotzt vor Selbstbewusstsein und ist Ausdruck eines musikalischen Kollektivs, dass sich nie hat verbiegen lassen. Die LETZTE INSTANZ hat sich mit diesem Album in veränderter Konstellation beinahe neu erfunden. Besser gesagt: die LETZTE INSTANZ hat sich endlich gefunden!
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