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Starsailor | Donnerstag 16/05 2002 20:00 h Bielefeld, PC 69
| vvk: 16,00 Euro abk: 19,00 Euro |
Es gibt Geschichten in der Popmusik, da läuft alles wie am Schnürchen. Bei starsailor ist dies
offensichtlich der Fall. Da wurde das riesige Talent des erst 21-jährigen Sängers, Gitarristen und
Songwriters James Walsh ausnahmsweise schnell und folgenreich erkannt. Ein einziges Demo und
zwei Gigs im Londoner Heavenly Social Club hatten im letzten Jahr genügt, um einen Run auf
seine vierköpfige Band auszulösen. Kurze Zeit später standen starsailor bei Chrysalis unter Vertrag.
Dass selbigem Demo, die ungeschliffene EP "Fever", sogar der direkte Sprung in die englischen
Top 20 gelang, war dann doch eine gelinde Überraschung. Und dem riesigen Hype - vom NME zur
größten Hoffnung für das Jahr 2001 erklärt - folgten Konzerte am laufenden Band, mit "Good
Souls" ein weiterer Top-20-Hit und zwischendurch zogen sich starsailor für sechs Wochen zu
Albumaufnahmen in die Rockfield Studios zurück, in denen auch Oasis ihr Debüt aufnahmen.
Doch "Love Is Here" ist im Gegensatz zu den stürmischen Oasis die eigentliche Oase, ein Werk von
hoher emotionaler Dichte und sinnlicher Kontemplation. Produziert von Steve Osborne, ist
starsailors Debütalbum der handfeste Beweis, dass aller Hype durchaus angebracht und
gerechtfertigt war. Die elf Songs sind geprägt von einer Natürlichkeit und einer Direktheit, die man
nicht alle Tage zu Gehör bekommt. Die Vision des Albums weiß James Walsh prägnant mit
wenigen Worten zu umreißen: "Wir wollten eine Mischung aus Jeff Buckleys ‚Grace´ und Neil
Youngs ‚Harvest´ schaffen, eine Platte, die live klingt mit leichten Soundeffekten darüber gelegt.
Wir haben ein paar ganz merkwürdige Dinge ausprobiert - komisch klingende Gitarren, oder eine
an Portishead erinnernde Atmosphäre. Wir wollten auf keinen Fall zu retro klingen."
James Walsh (Gesang, Gitarre), James Stelfox (Bass), Ben Byrne (Schlagzeug) und Barry Westhead
(Keyboards) klingen dafür enorm gut aufeinander eingespielt. Schon der Opener "Tie Up My
Hands" ist ein archetypischer Song für starsailor. Leise und bedächtig, mit einfachen und starken
Worten sowie einer unmittelbar packenden Melodie schwingt sich die sensible Stimme auf zu
einem leidenschaftlichen Song, dem man, noch bevor der letzte Ton verklungen ist, den Status
eines zeitlosen Klassikers attestieren darf. Jeder einzelne Song strahlt eine Reife aus, die der
pausbäckigen Jugendlichkeit seines Autors widerspricht, dafür um so wundersamer ist. James
Walsh mag sich an Idolen wie Van Morrison, Neil Young und Tim und Jeff Buckley orientieren,
doch die Handschrift ist unverkennbar seine eigene.
Schon mit 14 Jahren begann James Walsh eigene Songs zu schreiben. Doch wie er heutzutage mit
akrobatischer Stimme über Liebe, Hoffnung und Erlösung sinniert, das hat etwas von einem jungen
Werther. Ein moderner Outsider, der sich bereits in der Schule von seinen Klassenkameraden
absonderte. "In der Schule habe ich nie recht dazu gepasst. Man hielt mich für ein Sensibelchen,
dabei habe ich eigentlich nur die Dinge hinterfragt. Die Anderen waren auf eine Art zynisch, wie
ich es nie war und auch nicht bin." Diesem Zynismus begegnet er auch heute noch. Seine Band, die
heute in einem Atemzug mit Coldplay und Travis genannt wird, gehörte quasi über Nacht zu den
britischen Vertretern einer neuen Innerlichkeit, die auf Posen und Skandale verzichtet und ihr
ganzes Selbstvertrauen aus der strahlenden Kraft ihrer eigenen Songs gewinnt.
Dabei trägt sich der junge Mann aus der nordenglischen Provinz tatsächlich nur mit besten
Absichten. "Ich wollte etwas Natürliches machen, das etwas aussagt darüber, wer man ist und wie
man sich fühlt, statt einfach nur Krach zu machen. Es gibt Leute, die gehen in die Kneipe und
betrinken sich, andere schreiben Bücher, ich kann mich am besten ausdrücken, wenn ich Songs
schreibe." Das knappe Dutzend, das es nun aufs Debütalbum geschafft hat, gehört mit zu den
schönsten und klarsichtigsten Elaboraten der zeitgenössischen britischen Musikszene. Und die
Intimität, die in den Rockfield Studios herrschte, hat sich auf "Love Is Here" übertragen. "Wir
waren wie in einem Kokon", lächelt Walsh, "und jetzt ist alles so wie damals, als wir in Warrington
spielten. Das vergangene Jahr hat uns nicht verändert. In Rockfield fühlten wir uns ein bisschen wie
The Band bei ihren Aufnahmen in Woodstock. Sie isolierten sich damals von allen modernen
musikalischen Einflüssen und brachten etwas hervor, von dem man schon beim Hören merkt, dass
alle Spaß daran hatten. Bei uns war es ganz genau so." "Love Is Here" ist die von vielen ersehnte
Sternstunde des Brit-Pop, die noch über Wochen, Monate, wenn nicht Jahre nachglühen wird. Ein
Meisterwerk der stillen Leidenschaften.
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